Diesen Juni wird Volkswind Deutschland 30 Jahre alt. In dieser Zeit ist auf dem deutschen Markt und europaweit im Windbusiness einiges passiert. Seit Beginn an mit dabei ist die Mitgründerin und heutige CEO von Volkswind, Katja Stommel. Von ihr erfahren wir im Interview die Meilensteine der letzten drei Dekaden.
30 Jahre Volkswind. Das ist eine lange Zeit. Wie begann alles?
Gleich nach meiner Banklehre im Sommer 1992, ich war gerade im 2. Semester meines Mathematikstudiums, sind wir nach Ostfriesland gezogen. Mein zukünftiger Mann Matthias (Stommel) und unser Freund Martin (Daubner) haben bei einem Windkrafthersteller in Aurich gearbeitet. Dann hat sich plötzlich für uns eine Möglichkeit ergeben, unsere erste eigene Windkraftanlage zu realisieren. Ein Landwirt hatte Genehmigungen für zwei Windkraftanlagen bekommen, wollte selbst aber nur eine realisieren. Wir haben die Chance ergriffen und waren ganz plötzlich Gründer. Das war so eigentlich gar nicht geplant. Ein Bauingenieur, ein Elektroingenieur und ich für den kaufmännischen Bereich. Wir waren damals frei, es gab nur das einfache Baugesetz und wenig weitere Regulierungen. Alles war noch ganz neu. Man stand als ökologischer Spinner da. Wir haben uns damals nicht erträumen lassen, dass wir so weit kommen würden und heute an diesem Punkt stehen. Eigentlich wollten wir nur eine Alternative zu Tschernobyl aufzeigen.
Und wie ging es dann weiter?
Die nächsten Jahre waren ein Spagat zwischen Studium und Beruf. Bis 1998 war Volkswind nur ein Nebenjob. Ich habe studiert, die anderen waren fest in Vollzeit angestellt. In dieser Zeit haben wir fünf Windkraftanlagen gebaut. Bereits 1997 konnten wir die ersten Mitarbeitenden einstellen, die mit uns am gleichen Strick zogen. Meine Nachbarin unterstützte mich bei der Buchhaltung und in Egeln stellten wir einen Vertriebsmitarbeiter ein. Bis 2005 hatten wir kein zentrales Büro. Was mobiles Arbeiten angeht, waren wir schon damals Vorreiter (lacht). Unsere Mitarbeitenden konnten bereits damals flexibel arbeiten beziehungsweise in kleinen Niederlassungen oder sich bei uns in der Wohnung einquartieren. Als wir dann aber in der eigenen Küche kein Platz mehr hatten, um das Mittagessen für die Kinder zu kochen, haben wir dann in Ganderkesee unser erstes zentrales Büro eröffnet.
Könnte man eure Geschichte heute wiederholen?
Nein, im Wind nicht, in anderen Bereichen schon. Wenn man von dem, was man tut, absolut überzeugt ist, dann schafft man das. Uns hat damals das Ereignis im Kernkraftwerk Tschernobyl gezeigt, dass man andere Lösungen anstreben muss.
Worin bestand damals der Reiz?
Es ging damals darum, etwas aktiv ändern zu wollen. Es ging nicht um Marktanteile oder darum, sich eine goldene Nase zu verdienen. Wir wollten etwas tun, damit sich die Situation ändert und mehr erneuerbarer Strom genutzt wurde. Dafür haben wir mit Herzblut gekämpft. Wir hatten Spaß an der Sache, große Motivation und unser Hobby wurde unsere Arbeit.
Was zeichnet Volkswind heute noch aus?
Wir haben immer noch Spaß an der Herausforderung. Wir versuchen, uns schnell an wechselnde Rahmenbedingungen anzupassen und sind wandelbar. Die Windindustrie ist keine gerade Autobahn, sondern es gibt immer links und rechts Kurven, die man nehmen muss, um ans Ziel zu kommen. Den richtigen Weg zu finden, ist eine Herausforderung. Es gibt keine eingefahrenen Wege, sondern man muss immer neu denken.
Unser Freiheitsgrad ist durch die Regulierungen des Genehmigungsprozesses heute zwar eingeschränkter, aber es bleibt noch Potenzial, das wir nutzen können. Wir versuchen, alles kreativ zu hinterfragen und geistig freizubleiben. So bleibt unsere Arbeit auch mit den gegebenen Rahmenbedingungen spannend.
Volkswind wurde 2015 durch die Schweizer Axpo übernommen. Was hat sich dadurch geändert?
Nicht viel. Und das ist auch der Schlüssel für eine gelungen Übernahme. Wir sind pragmatisch an die Sache herangegangen. Das gegenseitige Verständnis war da, wurde gelebt und umgesetzt. So hat es prima funktioniert und funktioniert auch heute noch gut.
Wie hat sich das Geschäft von Volkswind in den letzten drei Jahrzehnten verändert?
Im Prinzip ist es ähnlich geblieben: Wir bauen immer noch Windkraftanlagen. Wir bauen zwar mehr und in mehreren Ländern, aber die Grundidee ist geblieben. Allerdings ist es heute wesentlich komplizierter geworden, ans Ziel zu kommen. Früher reichte es für einen Bewilligungsantrag aus, ein paar Blätter in einem Schnellhefter einzureichen, heute sind es gleich mehrere dicke Ordner mit Unterlagen.
Gab es auch schwierige Zeiten?
Die politischen Rahmenbedingungen in Deutschland waren oftmals unsicher. So hatten wir zweimal fast keinen Einspeisetarifmehr bei gleichzeitigem fehlenden Zugang zu Strommärkten. Da stand die ganze Finanzierung der Projekte auf der Kippe. Insbesondere die letzten zehn Jahre waren hart, weil die Politik in Deutschland keine Windkraft wollte. Wir erhielten keine Genehmigungen mehr und der Markt wurde künstlich klein gehalten. Die Delle, die die Umstellung auf Ausschreibungen in der Branche verursacht hat, war politisch gewollt. Leider sind wir immer noch von der Politik abhängig, auch der Price Cap der EU im letzten Jahr war für uns eine Ohrfeige.
Mit dem „Wind-an-Land“-Gesetz und weiteren Novellierungen will die deutsche Regierung den Ausbau
der Windenergie deutlich schneller voranbringen. Wie sind diese Bestrebungen einzuordnen?
Die Weichen sind so gestellt, dass wir das verlorene der letzten Jahre wieder aufholen können. Die Praxis wird zeigen, ob die beteiligten Akteure auch willens sind diese umzusetzen.
Reichen die politischen Änderungen aus, um den deutschen Markt in Schwung zu bringen und die geplanten 80 Prozent erneuerbare Energien im Strommix zu erreichen? Welche Änderungen sind nötig, um eine wirkliche Wende zu erzielen?
Das Wichtigste ist der Netzausbau. Wenn der zusammen mit einer aktiven Umsetzung der jüngst beschlossenen Gesetzesnovellierungen steht, dann haben wir kein Problem mehr. Fast in allen europäischen Ländern stockt es an dieser Stelle. Die Genehmigung ist jetzt oft nicht das Problem, sondern der Netzausbau ist der Flaschenhals.
Axpo will zusammen mit Volkswind den Ausbau der Windenergie bis 2030 massiv steigern. Wie wollen wir dieses Ziel erreichen?
In Deutschland haben wir uns Entwicklungsteam massiv ausgebaut und auch in anderen Ländern unser Geschäft ausgeweitet, um die Kapazitäten schnell auszubauen. Mit Volkswind sind wir in Deutschland und Frankreich aktiv und zusammen mit Axpo in Finnland und Rumänien. Weitere Märkte prüfen wir.
Das Unternehmen ist stark gewachsen. Wie sieht die Unternehmenskultur aus und wie sorgst du dafür, dass Volkswind eine attraktive Arbeitgeberin bleibt?
Als Managerin soll man gute Laune verbreiten und die Leute zum Lachen bringen. Man muss auch in den schwierigsten Zeiten noch Späße machen können. Wichtig ist bei uns auch eine positive Fehlerkultur: Nicht Ohren langziehen, sondern erklären und analysieren. Wir leben eine offene Unternehmenskultur, fördern proaktives Denken und haben flache Strukturen. Ich habe immer eine offene Tür, auch wenn man manchmal Wartezettel ziehen muss (lacht).
Was schätzen Partner an einer Zusammenarbeit mit Volkswind?
Unsere Geschäftspartner schätzen unsere Verlässlichkeit. Wir versprechen keine Luftschlösser. Wir arbeiten effizient und klären bereits im Vorfeld die verschiedenen Schritte. Wir sind lösungsorientiert und natürlich auch kompromissbereit.
Dein Resümee: 30 Jahre Volkswind. Ein Grund zum Feiern?
Ja klar, 30 Jahre den Ausbau von erneuerbaren Energien vorangetrieben. Es sind viele Unternehmen in der Windbranche in den letzten Jahren auf der Strecke geblieben. Uns gibt es noch und wir sind dabei auch noch erfolgreich. Der Geist und das Herzblut von damals ist geblieben.
Ausblick. Was wünscht du dir für die nächsten 30 Jahre?
Persönlich möchte ich in 30 Jahren so fit sein wie heute. Ich wünsche mir, dass wir den Klimawandel möglichst schnell in Griff kriegen. Schaffen wir das nicht, gibt es das Leben, wie wir es heute kennen, nicht mehr. Dafür braucht es einen massiven Zubau von erneuerbaren Energien. Auch wünsche ich mir Innovationen zur Reduktion von C02 aus der Atmosphäre. Und das alles natürlich schon morgen und nicht erst in 30 Jahren. Volkswind wird zusammen mit Axpo einen Teil zur Energiewende beitragen.
Aber allein können wir es nicht schaffen.