Die Wintermonate sind mit die windstärksten im Jahr. Umso ärgerlicher ist es, wenn die Windenergieanlagen aufgrund von Eisansatz abgeschaltet werden müssen. Betreiber haben ein natürliches Interesse daran, ihre Anlage so lange wie möglich Energie produzieren zu lassen, während behördliche Auflagen die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften und die Vermeidung von Eiswurf erfordern. Präzise Eiserkennung an Rotorblättern bietet eine technische Lösung, um beidem gerecht zu werden.

Anti-Icing-Maßnahmen

Abschaltungen lassen sich vermeiden, wenn sichergestellt werden kann, dass es keine Eisanhaftungen gibt. Bei passiven Anti-Icing-Maßnahmen wird die Oberfläche verändert, meistens durch das Aufbringen einer zusätzlichen Schicht. Um den Blitzschutz zu gewährleisten, kann nur mit metallfreien Werkstoffen gearbeitet werden, die jedoch nicht die gewünschte Widerstandskraft aufweisen. Deshalb konnte sich bisher noch kein Verfahren durchsetzen, da viele Beschichtungen zu schnell erodieren und der Anti-Ice-Effekt wieder verlorengeht.

Aktive Anti-Icing-Maßnahmen werden oft durch eine vorbeugende Beheizung der Rotorblätter realisiert. Beispielsweise gibt es bei Nordex Ansätze, nur die Vorderkante der Rotorblätter zu beheizen, um dadurch den Energieverbrauch zu senken und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Um den richtigen Beginn und ein erfolgreiches Ende der Beheizung präzise detektieren zu können, ist die Kombination mit einem Eiserkennungssystem sinnvoll.

Enteisungsmaßnahmen

Rotorblattheizungen lassen sich auch zum Enteisen von vereisten Rotorblättern nutzen. Werden die Rotorblätter wie bei Enercon von innen beheizt, können einfache Heizgebläse genutzt werden. Nach anfänglichen Problemen bei der Wahl des passenden Heizgebläses wird diese Technologie nun sehr gut kontrolliert. Nur der hohe Energieverbrauch verhindert oft einen effizienten Betrieb der Windkraftanlage.

Erlaubt die Genehmigung leichte Eisbildung am Rotorblatt, bietet es sich an, die Rotorblattheizungen erst zu aktivieren, wenn eine Abschaltung kurz bevorsteht. Durch die Fliehkräfte bei drehendem Rotor werden dann kleinere Eisansätze von der Blattoberfläche gelöst. Sollten jedoch massive Vereisungsbedingungen vorliegen, ist es oftmals sinnvoller, die Enteisung zunächst nicht zu aktivieren, um nicht unnötig Energie aufbringen zu müssen. Für eine effiziente Steuerung der Rotorblattheizung ist es deshalb essenziell, die aktuelle Eismasse am Rotorblatt und den Zuwachs der Eismasse präzise detektieren und bestenfalls präventiv vorhersagen zu können.

Eiserkennungssysteme

Für die Eisdetektion bieten sich drei verschiedene Ansätze an:

1. gondelbasierte Eiserkennungssysteme,
2. auf Leistungskurven basierte Eiserkennungssysteme,
3. Eiserkennung direkt an den Rotorblättern.

Um die Sicherheit der Anlagen und ihrer Umgebung zu gewährleisten, wird vonseiten der Behörden die Vermeidung von Eiswurf vorgeschrieben. Durch einheitliche Richtlinien wird eine maximale Eismasse je Rotorblatt angegeben, ab der abgeschaltet werden muss. Oftmals wird statt einer Gewichtsangabe auch die maximale Eisschichtstärke angegeben.

1. Gondelbasierte Eiserkennungssysteme

Gondelbasierte Eiserkennungssysteme ermitteln auf der Gondel, ob die Voraussetzungen für eine Vereisung der Rotorblätter gegeben sind. Hierbei gibt es mehrere Ansätze: vom Vergleich zweier Anemometer über die Ultraschallmessung bis hin zur Erfassung meteorologischer Daten wie etwa der Luftfeuchtigkeit. Allen Ansätzen gleich ist, dass auf der Gondel andere Verhältnisse als am Rotorblatt herrschen, da Rotorblätter in größere Höhen reichen und mit großen Spitzengeschwindigkeiten drehen. Gegebenenfalls beeinflusst zudem die Abwärme des Maschinenhauses die Messergebnisse. Entsprechend sensitiv müssen diese Systeme sein, um sicher Eisansatz vorhersagen zu können. Daher gelten diese Systeme zwar als kostengünstig, sie sind jedoch bekannt dafür, zu früh abzuschalten und nicht automatisch wieder anzufahren, da sie die Eisfreiheit der Blätter und damit die Unbedenklichkeit von Eiswurf nicht feststellen können.

2. Eiserkennungssysteme basierend auf der Leistungskurve

Eiserkennungssysteme basierend auf der Leistungskurve der Windenergieanlage sind tendenziell ebenfalls günstig, da sie ohne zusätzliche Hardware auskommen. Mittels ausgefeilter Algorithmen wird über die Differenz der erwarteten zur tatsächlichen Leistung der WKA auf Eisansatz geschlossen. Ein prinzipieller Nachteil in Bezug auf die Sicherheit der Anlagen ist jedoch, dass nur bei drehender WKA gemessen und die Differenz bestimmt werden kann. Behörden fordern deshalb in den meisten Fällen ein zweites Eiserkennungssystem oder eine ergänzende Methode zur Feststellung der Eisfreiheit (z. B. visuelle Inspektion).

3. Eiserkennung an Rotorblättern

Durch striktere Anforderungen seitens der Behörden und einem zunehmenden Kostendruck wurden in den letzten Jahren verstärkt technische Neuentwicklungen präsentiert. Hierbei geht der Trend eindeutig zur Rotorblattsensorik. Das gängigste Verfahren ist die Schwingungsmessung am Rotorblatt. Ein vereistes und damit schwereres Rotorblatt schwingt langsamer als ein eisfreies Rotorblatt. Grundsätzlich werden die Schwingungen mit unterschiedlichen Sensoren erfasst:

  • elektrischen Beschleunigungssensoren,
  • faseroptischen Beschleunigungssensoren,
  • Kameras.

Bei der Auswahl von Sensoren zur Installation im Rotorblatt ist insbesondere auf den Blitzschutz zu achten. Hier sind passive, faseroptische Sensoren gegenüber elektrischen Sensoren im Vorteil. Weitere wichtige Kriterien bei der Auswahl des geeigneten Eiserkennungssystems sind:

  • Kalibrierung: Wie schnell kann das System kalibriert werden, um die angegebene Präzision zu erreichen? Welche Daten werden hierfür vom Anlagenbetreiber, Hersteller und von der Anlage benötigt? Wie oft wird kalibriert bzw. muss neu kalibriert werden? Erfolgt die Kalibrierung manuell oder automatisch?
  • Installationsaufwand: Ist das System im Retrofit einfach zu installieren oder werden kostenintensive Hubbühnen oder speziell geschultes Personal benötigt? Wie lange ist die Anlage dafür stillzusetzen?
  • Datenanbindung: Welche Datenanbindung ist vorhanden? Wird die Verbindung für den aktiven Betrieb benötigt oder nur für Wartungen?
  • Zertifizierung: Ist das System zertifiziert?
  • Automatisches Wiederanfahren: Unter welchen Bedingungen ist das System für automatisches Wiederanfahren zugelassen?
  • Betriebsbedingungen: In welchen Betriebszuständen arbeitet das System? Wann nicht?
  • Nachlaufzeit: Wie schnell kann das System zuverlässig Eis erkennen, nachdem es betriebsbereit ist?
  • Schnittstellen: Welche Software-Schnittstellen bietet das System?
  • Wartung: Welche Komponenten müssen in welchen zeitlichen Abständen gewartet werden? Sind Komponenten mit typischerweise kurzen Lebensdauern verbaut? Sind die Sensoren im Falle eines Defekts einfach zu ersetzen?
  • Wartungsvertrag: Kann das System mit in den Vollwartungsvertrag aufgenommen werden?
  • Insellösung oder umfängliche Funktionserweiterungen: Ist das System eine reine Insellösung für Eisproblematiken oder bietet es weiterführende Funktionen, beispielsweise Zustandsüberwachung oder andere Analysemöglichkeiten für ein besseres Betriebsverständnis der Anlagen im Park?
  • Digitalisierung: Wie werden die Daten gespeichert? Wie kann auf die Daten zugegriffen werden? Gibt es Möglichkeiten zur Fernüberwachung? Welche Erkenntnisse können aus den Daten der Rotorblattsensorik zusätzlich gewonnen werden?

Eiserkennungssysteme sind wichtig zur Erweiterung des Funktionsumfangs, um im Winter Stillstandszeiten von Windkraftanlagen möglichst gering zu halten. Der Spagat zwischen geforderter Sicherheit und möglichst geringen Ertragsausfällen ist schwierig, doch insbesondere in vereisungsgefährdeten Regionen können neue Ansätze überzeugen.


Weiterführende Informationen zu dem Thema:


Maximilian Müller, Smart Metering & intellig. Messsysteme, Service Instandhaltung Betrieb
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