Mit dem Ausbau der Erneuerbaren Energien und der sich immer dynami-scher entwickelnden Elektromobilität steigen die Anforderungen einiger Netzbetreiber an die elektrische Sicherheit von Windenergieanlagen
(WEA). Der Anschluss immer neuer Einspeiser und teils leistungsstarker Verbraucher erschwert es mitunter, z. B. die Netzfrequenz stabil zu halten.

Der Nachweis, dass definierte Parameter eingehalten werden, betrifft nicht nur den Weiterbetrieb bestehender Anlagen nach Förderende. Auch für neue WEA ist die regelmäßige Schutzprüfung eine Vorausset-zung für den sicheren Netzanschluss und den Erhalt der Einspeisever-gütung. Zudem lässt sich so der Eigenschutz der WEA sichern und damit auch hohe Sachwerte sowie kontinuierliche Einspeisevergütungen.

Regulativer Hintergrund

Als „anlagenverantwortliche Person“ sind Betreiber verpflichtet, ausgebil-dete Personen mit einer Prüfung zu beauftragen. Für die Sicherheits­ und Schutzeinrichtungen ist das spätestens alle vier Jahre Pflicht. Grundlegend sind dabei die Sicherheitsregeln nach Teil 100 der VDE 0105, die Tech-nischen Anschlussregeln für Mittelspannungsanlagen (VDE­AR­N4110) sowie Vorschrift 3 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).
Was steht im Fokus und wie läuft die Prüfung ab
Vor allem auf der Mittelspannungsebene befinden sich wichtige Schutz-komponenten des gesamten Windparknetzes. Am Übergabeleistungs-schalter der Netzanschlusspunkte sowie an jedem WEA-Transformator befinden sich Überstrom­ und Kurzschlussschutzgeräte. Sie überwachen den Strom und greifen ein, wenn die Auslösewerte (Grenzwerte) über­ bzw. unterschritten werden. Die Schutzgeräte schalten bei einer Störung die gesamte Anlage spannungslos und verhindern damit etwaige Schäden an den Anlagen und dem Windparknetz.

Eine qualifizierte Prüforganisation untersucht die Einhaltung der Para-metervorgaben der Netzbetreiber durch geschulte Sachverständige mit einem speziellen Prüfgerät. Die Schutzrelais der WEA werden mit dem Prüfgerät verbunden, sodass eine Netzeinspeisung simuliert werden kann. Dabei werden alle relevanten Parameter und Toleranzen gemessen und aufgezeichnet. Anforderungen hinsichtlich der Schutzkonzepte werden mit den Messergebnissen verglichen. An der WEA wird die Aus-lösung des Schutzrelais, also des Entkupplungsschutzes, bei Spannungs- und Frequenzabweichungen simuliert. Gleichzeitig werden die Reaktio-nen des Relais gemessen. Die Funktionalität der Schutzsysteme und der Gesamtwirkungskette wird überprüft. 

Der sogenannte Überstromzeitschutz verhindert zu hohe Belastungen des Mittelspannungsnetzes (inkl. der Schaltanlage) der Gesamtanlage und der Transformatoren, welche z. B. durch Kurzschlüsse oder Erdschlüsse ver-ursacht werden. Die korrekte und rechtzeitige Auslösung der Schutzrelais verhindert kostenintensive Folgeschäden und sichert den Wert der Anla-ge. Die Schutzrelais für den Netzschutz befinden sich am Anschlusspunkt, in den Übergabestationen sowie in der Anlagensteuerung der WEA. Auch diese erkennen Abweichungen wie bei der Spannung und der Frequenz. Entsprechende Bereiche werden lokalisiert, um sie vorübergehend zu ent-kuppeln. Vor flächendeckenden Spannungseinbrüchen des Versorgungsnet-zes schützt ein sogenannter Blindleistungsrichtungs-Unterspannungsschutz.

Ein Fallbeispiel aus der Praxis

Der Betreiber einer WEA der mittleren MW­Klasse mit 140 Metern Naben-höhe hat eine Schutzprüfung beauftragt. Untersucht wurden zunächst der Frequenz- und Spannungsschutz auf Abweichungen von den Sollwerten. Alle Parameter lagen im zulässigen Bereich. Bei allen Spannungsrück-gängen oder -steigerungen wurde der Leistungsschalter angeregt und löste den Entkupplungsschutzschalter bei den geforderten Grenzwerten aus.

Beim Spannungsschutz lagen die Auslösezeiten der Geräte mit 130 ms zwar etwas außerhalb des Sollwerts von 100 ms, aber noch im zulässigen Toleranzbereich. Beim Frequenzschutz musste der Auslösewert an der An-lage auf 20 ms herabgesetzt werden, um die Vorgaben des Netzbetreibers zu erfüllen. Die gesamte Prüfung dauerte je WEA ca. vier Stunden und die Anlagen konnten direkt im Anschluss wieder in Betrieb genommen werden.
Fazit: Betreiber profitieren von der Schutzprüfung in doppeltem Sinn: Sie ist ein grundlegender Baustein für den Netzanschluss sowie für sichere und wirtschaftliche WEA. Qualifizierte Prüforganisationen unterstützen Sie dabei, die gesetzlichen Vorgaben und die Anforderungen der Netzbe-treiber zu erfüllen.

Timothy Krampe, Gruppenleiter Technische Prüfungen WEA, TÜV SÜD Industrie Service

Dieser Text wurde erstmalig im BetreiberBrief 02/2021 veröffentlicht.


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