Was gibt es beim Repowering an Rückbaupflichten zu beachten?

Peter Sittig-Behm: Beim Repowering hat man nicht nur das Neubauvorhaben, sondern auch noch den Rückbau der Altanlage, den man bedenken muss. Man muss sich auch darum kümmern, was überhaupt an der Altanlage zurück gebaut werden muss. Muss die Gründung aus dem Boden und in welchem Umfang? Was ist mit Kabeln und Zuwegung? Hinzu kommen verfahrensrechtliche Aspekte, etwa, ob für den Rückbau eine Abbruchgenehmigung erforderlich ist. In manchen Bundesländer ist das so.

Werden Fundamente im Boden gelassen?

Peter Sittig-Behm: Ja, das war lange Zeit Praxis und zum Teil in den Erlassen der Bundesländer so vorgesehen. Bis ein oder zwei Meter Tiefe musste alles zurückgebaut werden und der Rest konnte dort verbleiben. Der Gedanke, der damals dahinter stand, war, dass die meisten Anlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen errichtet wurden. Es ging nur um die Frage, wie tief der Landwirt „pflügen muss, um sein Feld zu bestellen. Der Rest stört ihn nicht. Das war zwar für alle Beteiligten einfach und praktisch, korrespondiert aber nicht unbedingt mit den Grundlagen der gesetzlichen Rückbaupflicht.

 

Ob das Fundament im Boden verbleiben kann, entscheiden derzeit also die Bundesländer?

Peter Sittig-Behm: Das ist eine Frage, die sich nicht pauschal beantworten lässt. Die Rückbauverpflichtungserklärung resultiert aus § 35 Abs.5 S.2 BauGB – einer bundesrechtlichen Vorschrift. Es gab allerdings in den vergangenen Jahren unterschiedliche Regelungsregime für die Zulassung von Windenergieanlagen. Die bauplanungsrechtliche Rückbauverpflichtung gibt es erst seit 2004. Diesbezüglich stellen sich rechtliche Fragen. Stützt sich die Rückbaupflicht auf den § 35 BauGB – oder zum Beispiel für eine Anlage, die vor dieser Vorschrift genehmigt wurde, auf andere Rückbaupflichten zum Beispiel aus dem Landesrecht? Das kann nach Anlagenstandort und –alter variieren und hat ggf. Auswirkungen auf die Zulässigkeit und den Umfang von Rückbaupflichten. Hier wird auch die die Frage relevant, ob Behörden überhaupt einen Rückbau verlangen können für Anlagen, die vor 2004 genehmigt worden sind. Im neuen Rückbauerlass in Schleswig-Holstein hat man sich dazu relativ viele Gedanken gemacht und dort gibt es tatsächlich auch Verhältnismäßigkeitsanklänge.

Nach dem Motto: Kann es verhältnismäßig sein, weiter in den Boden einzugreifen, als der Vorteil durch Verbleib der Fundamente wäre? Aber man muss auch berücksichtigen, dass das Fundament nicht das einzige Thema ist. Die gleichen Fragen stellen sich auch für Kabel und Zuwegungen.

Und noch etwas: Was heute für den Rückbau erforderlich ist, das hat möglicherweise – losgelöst vom Repowering – auch auf Neubauvorhaben Auswirkungen, etwa auf die UVP-Pflicht. Ist nicht ein später aufwändiger Rückbau, etwa einer Tiefgründung, etwas, das man bei einer UVP für ein Neuvorhaben schon mitdenken muss? Wenn Sie ein Repowering-Projekt planen, haben Sie eine Neuanlage, die auch irgendwann zurückgebaut werden muss. Während sich die Leute vor 20 Jahren darüber nicht so viele Gedanken gemacht haben, sollte man das heute genau durchdenken. Im Genehmigungsverfahren spielt das eine Rolle: Wie weit muss ich den Boden in 20 Jahren aufreißen? Ist das nicht schon wieder ein eigenständiger Eingriff in die Natur – und wie kompensieren wir den?

Kann es verhältnismäßig sein, weiter in den Boden einzugreifen als der Vorteil durch Verbleib der Fundamente wäre? Was bedeutet das für den Planer?

Peter Sittig-Behm: Genehmigungsbehörden regeln heute z. T. schon umfangreich, was und wie später zurückgebaut werden muss. Die Möglichkeit eines Rückbaus muss heute schon untersucht werden, wenn Sie eine Genehmigung beantragen. Es wird immer mehr zur Pflicht, dass man für die Genehmigung schon die entsprechenden Rückbauinfos vorlegen kann. Das ist aber nur eine Frage bei Repowering.

Die andere Frage ist, inwieweit kann man aus bestehenden Anlagen Honig saugen für das Genehmigungsverfahren? Kann man quasi einen Bonus geltend machen wegen des bereits bestehenden Bauwerks?

Wie ist ein Repowering genehmigungsrechtlich zu bewerten?

Peter Sittig-Behm: Hier kann durchaus die Frage gestellt werden, ob man überhaupt eine Neugenehmigung braucht für das Repowering-Projekt. Im Regelfall wird man das mit Ja beantworten müssen. Aber je näher man sich bei der Neuplanung an der Ursprungsanlage befindet, desto eher könnte zum Beispiel eine Änderungsgenehmigung ausreichen – im Regelfall wird aber ein Repowering-Vorhaben nicht nur räumlich, sondern auch in den Abmaßen erheblich von den Altanlagen abweichen.

Wie ist es artenschutzrechtlich mit dem Repowering?

Peter Sittig-Behm: Artenschutzrechtlich ist bislang noch im Streit, ob ein Repowering positive Auswirkungen auf die artenschutzrechtliche Beurteilung haben kann. Was ist, wenn man eine Anlage zurückbaut, die bislang relativ nah an einem Brutgebiet gelegen war und das Neuvorhaben entfernt sich davon? Da gibt es unterschiedliche Auffassungen: In Sachsen gibt es Rechtsprechung, die nahelegt, dass wenn das Repowering-Projekt eine Konfliktlage entspannt, indem die Repowering-Anlage im Vergleich zur Altanlage vom Brutplatz „wegrückt“, dass dann keine signifikante Erhöhung mehr vorliegt. Demnach könnte man sogar auch in Konfliktlagen repowern, soweit sich die Situation dadurch verbessert. Das OVG Greifswald sagt demgegenüber: Das ist ein neues Vorhaben, das für sich betrachtet werden muss. Ob es da schon Anlagen gab, die näher an einem Brutplatz waren, interessiert uns nicht. Das Thema ist also noch weit entfernt von einer einheitlichen Rechtsprechung. Irgendwann wird da eine Klärung herbeigeführt werden. Aber so weit sind wir noch nicht. Es gibt aber positive Tendenzen. Der neue Erlass in Hessen legt nahe, dass ein Repowering in aller Regel keine signifikante Tötungsgefahr begründen können soll – ob dies in dieser Pauschalität zutreffen kann, bleibt abzuwarten, aber die Tendenz ist gut.

 

Das Interview führte Nicole Weinhold im Auftrag des BWE. Es erschien zunächst in der Fachzeitschrift „Erneuerbare Energien“.


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