Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat in Berlin beim 2. Windgipfel die überarbeitete Windenergie-an-Land-Strategie vorgestellt.

Mit den in der Strategie angekündigten Maßnahmen soll die Zielsetzung von 160 Gigawatt (GW) installierter Windenergie-Leistung im Jahr 2035 sichergestellt werden. Das Papier sieht umfangreiche Maßnahmen vor, um den jährlichen Zubau von gegenwärtig unter 2,5 GW auf 10 GW pro Jahr zu steigern. JUWI-CEO Carsten Bovenschen, der auf Einladung von Minister Habeck auch am 2. Gipfel teilnahm, lobt die präsentierten Maßnahmen und betont deren erforderliche konsequente und zügige Umsetzung. Der zwischenzeitlich vorgelegte Entwurf eines Vollzugsleitfadens für die Umsetzung der EU-Notfall-Verordnung mittels §6 Windflächenbedarfsgesetz (WindBG) und die lang erwartete Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) setzen bereits wichtige Punkte der Strategie um, benötigen an einzelnen Stellen aber Nachbesserungen zur Erreichung der dringend benötigten Umsetzungsgeschwindigkeit.

Carsten Bovenschen:

„Der Windkraftausbau braucht konsequente Schritte der Beschleunigung.“Die vom BMWK vorgelegte Windenergie-an-Land-Strategie ist hierfür, insbesondere in Anbetracht der kurzen Zeit, die Minister Habeck zur Verfügung stand, eine sehr gute Arbeitsgrundlage. Neben einer Nachschärfung bei einzelnen Aspekten ist insbesondere eine kurzfristige Umsetzung in Gesetze und Regelungen entscheidend. Jetzt heißt es: Zügig loslegen mit dem, was wir haben und sehen, wo es noch klemmt!"

JUWI befürwortet die vorgestellten Maßnahmen, insbesondere den bereits Ende April vorgestellten Entwurf der Vollzugshinweise zu §6 des Windflächenbedarfsgesetzes. Carsten Bovenschen:

„Wir begrüßen die Deutlichkeit der Klarstellungen und erwarten einen Schub in den Genehmigungsverfahren. Wichtig ist aber auch, dass die Vollzugshinweise nicht im weiteren Verfahren verwässert werden. Diese Hinweise müssen im tatsächlichen Verwaltungshandeln umgehend Anwendung finden und auch von den Gerichten als Ausdruck der Absichten des Ge-setzgebers anerkannt werden. Damit der beschleunigende Effekt Wirkung entfaltet, müssen einmal erteilte Genehmigungen auch dann gültig bleiben, sofern Gerichte nachträglich ausgewiesene Windenergiegebiete für unwirksam erklären. Hier brauchen wir Rechtssicherheit und Bestandsschutz für die Genehmigung, sonst kehrt sich der gewünschte Beschleunigungseffekt ins Gegenteil und wird zur Vollbremsung. Um das wirkungsvoll zu verhindern, ist im WindBG noch eine Klarstellung erforderlich.“


Auch der inzwischen vorliegende Entwurf des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) enthält sehr wichtige Verbesserungen und Klarstellungen, beispielsweise hinsichtlich der Vollständigkeit von Genehmigungsanträgen, der Bearbeitungsfristen der Genehmigungs- und Fachbehörden und der Begrenzung von Nachforderungen. Ein noch fehlender, aber wesentlicher Punkt ist aus Sicht von JUWI eine Stichtagsregelung für die zu berücksichtigende Rechts- und Sachlage. Eine Anpassung sollte im parlamentarischen Verfahren Eingang in das Gesetz finden. Aktuell müssen die Genehmigungsbehörden neuen Informationen und Hinweisen auf eine geänderte Sachlage bis zum Tag der Genehmigungserteilung nachgehen. Wenn die Behörde beispielsweise kurz vor eigentlichem Abschluss des Verfahrens noch einen Hinweis auf z.B. eine eingewanderte Tierart erhält, kann dies durch eine nachträgliche artenschutzrechtliche Erhebung eine Verzögerung von mehr als einem Jahr bedeuten.

Carsten Bovenschen:

„Derartige Behinderungen können wir uns angesichts der ambitionierten Ausbauziele nicht mehr erlauben. Der Stichtag der im Verfahren anzuwendenden Sach- und Rechtslage muss mindestens auf die gesetzlichen Bearbeitungsfristen von drei bzw. sieben Monaten ab Vollständigkeit der Antragsunterlagen vorgezogen werden.“


Ein weiteres, in der Wind-an-Land-Strategie enthaltenes Thema, das aktuell aber noch keine Umsetzung erfahren hat, ist die Einführung einer Duldungspflicht für den Wege- und Leitungsbau. Carsten Bovenschen:

Wir haben mehrere Praxisbeispiele aus verschiedenen Bundesländern, die Verzögerungen von bis zu fünf Jahren bei der Realisierung von Windenergieprojekten aufgrund fehlender Duldungspflichten belegen. Ganz zu schweigen von den Mehrkosten durch umfangreiche Umplanungen und Sicherung der alternativen Anschlusstrassen, die inkl. der durch verspätete Inbetriebnahmen resultierenden Erlösausfälle mehrere Millionen Euro für ein Projekt betragen können.“

Windenergie-an-Land Projekte werden in der Regel auf Flächen geplant und gebaut, für die noch keine stromnetzseitige Erschließung vorliegt. Der Anschluss der Anlagen an das öffentliche Versorgungsnetz erfolgt nach Vorgabe des Netzbetreibers am nächstgelegenen und netztechnisch geeigneten Verknüpfungspunkt. Anschlussleitungen von mehreren Kilometern vom Anlagenpark bis zum Verknüpfungspunkt sind heute schon die Regel. Dabei müssen sowohl öffentliche Flächen als auch viele private Grundstücke gekreuzt werden. Hier kommt es regelmäßig zu Rechtsstreitigkeiten und langwierigen Verhandlungen sowohl über die grundsätzliche Einwilligung als auch über die an die Eigentümer zu zahlenden Entgelte. In vielen Fällen können Projekte aufgrund fehlender Zustimmung nicht realisiert werden, bzw. werden durch alternative, längere Kabeltrassen so teuer, dass sie nicht mehr wirtschaftlich sind. Dabei handelt es sich oft um Projekte, für die Planungen, Genehmigungen, Stromabnahmeverträge bzw. Zuschläge nach EEG bereits vorliegen bzw. unmittelbar bevorstehen und für die nur noch die Netzanbindung geklärt werden müsste.

Carsten Bovenschen:

„Eine Duldungspflicht für Anschlussleitungen von Erneuerbare-Energien-Anlagen könnte dieses Problem umgehend aus der Welt schaffen. Eine analoge Regelung sollte zudem auch für die zur Errichtung und zum Betrieb der Windenergieanlage notwendigen Wegenutzung, den Wegebau und -ausbau eingeführt werden.“

Die Regelung sollte sich an definierten Entschädigungszahlungen analog von Vereinbarungen beim Stromnetz- und Breitbandausbau orientieren. 

Deutschland steht beim Ausbau der Windenergie an Land vor großen Aufgaben. Wir setzen darauf, dass die guten Ansätze der Wind-an-Land-Strategie konsequent, zügig und mit hoher Verbindlichkeit, gerne in der oft zitierten neuen „Deutschland-Geschwindigkeit“ umgesetzt werden. Dann können wir auf den Pfad zur Zielerreichung einschwenken.