Das Konzept der Einspeisesteckdose wurde als Gemeinschaftsprojekt der Lechwerke und des Bayernwerks mit dem Ziel entwickelt, Antworten auf einige der aktuellen Herausforderungen beim Netzausbau und der Integration der Erneuerbaren Energien für den Hochlauf der Energiewende zu geben.
Aktuell ist viel Bewegung in der Energiebranche: die letzten Änderungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die im Februar 2025 in Kraft getreten sind, bringen einige Neuerungen mit sich. Außerdem erleben wir seit einigen Monaten mit dem starken Hochlauf an Großspeicherprojekten die Chancen und Herausforderungen neuer Akteure im Energiesystem. Gleichzeitig ist aber auch noch vieles beim Alten geblieben. Mit dem neuen § 8a EEG wurde zwar auf die Notwendigkeit von mehr Flexibilität der Erzeugungsanlagen reagiert, allerding hat sich an der grundsätzlichen Logik der Netzverträglichkeitsprüfung nichts geändert. Projektierer von Einspeiseanlagen stellen nach wie vor Netzanschlussanfragen für ihre Projekte an den Netzbetreiber. Dieser ist verpflichtet in einer isolierten Betrachtung der Einzelanlage mittels aufwändigen Variantenvergleichen den gesamtwirtschaftlich günstigsten Netzanschlusspunkt zu ermitteln. Diese Vorgehensweise kommt aus einer Zeit, in der das Verteilnetz für Bezugskunden ausgelegt war und die vorhandene Übertragungskapazität von Einspeiseanlagen mitgenutzt wurde. Allerdings sind wir mit der fortschreitenden Realisierung der Energiewende und der damit einhergehenden Dezentralisierung der Energieerzeugung über diesen Punkt seit Langem hinaus. Die zahlreichen Nachteile dieses in die Jahre gekommenen Vorgehens verlangsamen die Integration von Erneuerbaren Energien und führen zu volkswirtschaftlich ineffizienten Netzkonstrukten. Die Einspeisesteckdose bietet ein alternatives Konzept, mit dem Ziel, Erneuerbarer-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) möglichst schnell, effizient und kostengünstig ins Netz zu integrieren.
Pilotprojekt in Balzhausen
Einspeisesteckdosen sind (n-0)-sicher an das Stromnetz angebundene Betriebsmittel, die dem Anschluss von EE-Anlagen dienen. Im Netzgebiet der LEW Verteilnetz (LVN) wird aktuell ein Pilotprojekt in Form eines 80 MVA-Transformators im Umspannwerk Balzhausen umgesetzt. Die Inbetriebnahme erfolgt im Oktober 2025.
Neben der technischen Umsetzung ist ein Hauptaspekt des Projekts Einspeisesteckdose, die bestehenden Prozesse neu zu denken. Anders als im Status Quo wurde die verfügbare Netzkapazität proaktiv durch den Netzbetreiber veröffentlicht und Projektierer konnten sich im Januar 2025 auf einen Anschlusspunkt an der Einspeisesteckdose bewerben. Alle Anfragen erhielten spätestens innerhalb von 10 Tagen eine verbindliche Antwort der LVN – die meisten sogar deutlich schneller.
Das Vorgehen stieß seitens der EE-Anlagen auf große Nachfrage. Insgesamt gingen 20 Anträge mit einer Gesamtleistung von 445 MW innerhalb des Bewerbungszeitraums ein, wovon sieben Anlagen eine Zusage erhielten. Darunter befinden sich drei netzneutrale Batteriespeicher (nähere Informationen zur Unterscheidung von Batteriespeicher-Betriebsweisen finden Sie unter www.lew-verteilnetz.de), drei PV-Anlagen und eine Windkraftanlage. Insgesamt haben die Anlagen eine installierte Leistung von 126 MW. Gegenüber der verfügbaren Trafoleistung von 80 MVA ist das eine Überbauung von knapp 60 %.
© LEW Verteilnetz GmbH Änderung des Verfahrens zur Vergabe von Netzanschlusspunkten notwendig
Die schnelle Zuordnung der anzuschließenden Anlagen an die Einspeisesteckdose war nur aufgrund des geänderten Anfrageprozesses möglich. Die proaktive Ausschreibung verfügbarer Anschlusskapazität durch den Netzbetreiber bringt deutliche Vorteile sowohl für die Projektierer als auch den Netzbetreiber:
- Schnelle Beantwortung der Anschlussanfragen: effiziente, ressourcenschonende Prozesse beim VNB und kurze Wartezeiten für Projektierer
- Netzverknüpfungspunkt ist vorab bekannt: Planungssicherheit für Projektierer und Verzicht auf aufwändige Variantenvergleiche beim VNB
- Möglichkeit die Netze dort mit Einspeiseanlagen „nachzuverdichten“, wo noch freie Kapazitäten vorhanden sind: schnelle Integration von EE-Anlagen
- Reduktion der volkswirtschaftlichen Kosten
Das im Pilotprojekt erprobte Vorgehen entspricht jedoch nicht den eingangs bereits erwähnten gesetzlichen Vorgaben nach § 8 EEG. Die parallele Ausübung von Ausschreibungsverfahren gleichzeitig zum aktuellen Prozess macht einige der genannten Vorteile zur Nichte. Daher ist eine umfassende Neuregelung bei der Vergabe von Netzanschlusspunkten notwendig. Denkbar ist beispielsweise eine hybride Lösung, bei der für ausgewählte Regionen die verfügbare Netzkapazität ausgewiesen wird, welche über einen zu definierenden Zeitraum Gültigkeit besitzt und für den Anschluss von EE-Anlagen zur Verfügung steht. In anderen Regionen kann das bisherige Verfahren weiterhin abgewickelt werden.
Eine weitere Chance, die in der Ausschreibung von Netzanschlusskapazität liegt, ist die möglichst effiziente Ausnutzung der Netzinfrastruktur durch einen ausgeglichenen Energiemix. Die deutliche Überbauung der Einspeisesteckdose in Balzhausen, ist nur durch die Kombination der Anlagentypen PV und Wind gemeinsam mit den netzneutralen Speichern möglich. Obwohl die relativ ausgewogene Verteilung der Anlagentypen nicht aufgrund gezielter Steuerung zustande kam, ist es eine Erkenntnis des Pilotprojektes, dass ein Lenkungsmechanismus hierfür absolut sinnvoll ist. Der Bundesverband Erneuerbare Energien veröffentlichte hierzu bereits letztes Jahr eine Studie, die die Sinnhaftigkeit der Kombination unterschiedlicher Erzeugungsarten an einem Netzverknüpfungspunkt und die dadurch mögliche Überbauung beschreibt (BEE: Netzverknüpfungspunkt-Studie Gemeinsame Nutzung von Netzverknüpfungspunkten durch Erneuerbare Energien, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung, Berlin, 11. April 2024). Neben den Einsparungen durch die gemeinsame Nutzung der Anschluss-Betriebsmittel werden durch die sich ergänzenden Erzeugungsprofile auch die überlagerten Netzebenen gleichmäßiger ausgelastet und somit effizienter genutzt. Im Netzgebiet der LVN könnten mithilfe gezielter Substitution von PV-Freiflächen-Einspeisung durch Windkraftanlagen Netzausbaukosten im Zielnetz in erheblichem Maße eingespart werden. Die Ausschreibung von erzeugungsartabhängiger Einspeiseleistung (oder auch profilabhängiger Einspeiseleistung) wäre ein möglicher Lenkungsmechanismus, um einen solchen Technologie-Shift zu erreichen.
Verursachergerechte Allokation der Netzausbaukosten sinnvoll
Der Standort der Pilot-Einspeisesteckdose in Balzhausen wurde unter anderem aufgrund der freien Kapazitäten im überlagerten Hochspannungsnetz gewählt. Der Netzausbau beschränkt sich daher auf die Errichtung der Betriebsmittel im Umspannwerk, wie beispielsweise dem HS/MS-Transformator und der 20-kV-Schaltanlage. Auf Seite der EE-Anlagen-Errichter kommen die Netzanschlusskosten für die Anschlussleitungen hinzu. Um den finanziellen Vorteil der Einspeisesteckdose zu quantifizieren, wurden die Gesamtkosten für die Errichtung der Einspeisesteckdose sowie die Anschlusskosten der sieben Anlagen, die einen Netzverknüpfungspunkt an der Einspeisesteckdose erhalten haben, kalkuliert. Zum Vergleich wurde die theoretische Zuordnung der gleichen sieben Anlagen ohne den Bau der Einspeisesteckdose im Bestandsnetz anhand der in § 8 EEG beschriebenen Logik betrachtet. Dabei wurde jeder Anlage in der Reihenfolge ihres Eingangs der gesamtwirtschaftlich günstigste Netzverknüpfungspunkt zugewiesen und die jeweiligen Kosten für Netzbetreiber und Anlagenerrichter aufsummiert. Die schematische Anordnung der Einspeiseanlagen sowie deren Zuordnung von Netzverknüpfungspunkten ist wie folgt dargestellt:
© LEW Verteilnetz GmbH Erwartungsgemäß resultierte aus dem gemeinsamen Anschluss mehrerer Anlagen am zentralen Punkt Einspeisesteckdose eine deutlich effizientere Netzstruktur. Die Gesamtanschlusskosten beim Bau der Pilot-Einspeisesteckdose (Kosten Netzbetreiber + Kosten Anlagenerrichter) konnten gegenüber der Einzelbetrachtung nach § 8 EEG halbiert werden. Konkret heißt das, die Gesamtkosten für die Integration von einem Megawatt Anschlussleistung konnten in Balzhausen von 200 T€ auf 100 T€ gesenkt werden. Die ermittelte Kosteneinsparung bezieht sich auf das Pilotprojekt in Balzhausen und kann in dieser Höhe sicherlich nicht für alle Standorte erwartet werden. Sie verdeutlicht jedoch das enorme volkswirtschaftliche Potenzial von Einspeisesteckdosen.
© LEW Verteilnetz GmbH Der Vergleich zwischen Einzelbetrachtung nach § 8 EEG und Anschluss an der Einspeisesteckdose zeigt neben der enormen Gesamtkostenreduktion aber ebenfalls eine deutliche Kostenverschiebung hin zum Netzbetreiber. Die durch den Netzbetreiber zu tragenden Kosten verfünffachen sich nahezu, wohingegen die Kosten der Anlagenerrichter nur noch ein Viertel der ursprünglichen Kosten betragen. In der Realität bedeutet das, dass der Netzanschluss zwar effizienter wird, ein großer Teil der Netzanschlusskosten jedoch weg von den versuchenden Einspeiseanlagen und über die Umlegung auf Netzentgelte hin zu den Netznutzungsentgeltzahler also zur Allgemeinheit verschoben wird.
Durch die Einführung einer Kostenbeteiligung der EE-Anlagen, z.B. in Form eines Einspeise-Baukostenzuschusses, kann die finanzielle Belastung verursachergerecht verteilt werden. Über diesen Weg können alle Beteiligten von der erhebliche Gesamtkostenersparnis profitieren. Eine solche Kostenbeteiligung ist aktuell jedoch im EEG nicht vorgesehen, wodurch ein flächendeckender Rollout an Einspeisesteckdosen verhindert wird. Notwendige Netzausbaukosten werden nach § 17 EEG klar dem Netzbetreiber zugeordnet – nach Analyse der gesammelten Erkenntnisse im Rahmen des Pilotprojektes Einspeisesteckdose sollte diese Regelung überdacht werden.
Fazit
Das Konzept der Einspeisesteckdose hat großes Potenzial zur Bezahlbarkeit der Energiewende positiv beizutragen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist die gemeinsame Nutzung zentraler Einspeisepunkte im Netz durch mehrere Einspeiseanlagen fast unumgänglich. Allerdings ist die Modernisierung des EEG hinsichtlich der Vergabe von Netzanschlusskapazität hierfür zwingend erforderlich. Das bisherige Vorgehen, für Einzelanlagen den gesamtwirtschaftlich günstigsten Netzverknüpfungspunkt zu ermitteln, sollte durch ein ganzheitlicheres Vergabeverfahren ersetzt werden, dass die Entwicklung einer Region als Gesamtes berücksichtigt. Dadurch können vorhandene Restkapazitäten im Netz sofort genutzt werden und die in diesem Rahmen mögliche Einspeiseleistung so schnell wie möglich ins Netz integriert werden. Darüberhinausgehender Netzausbaubedarf, der für die Erreichung der Klimaneutralität zweifellos notwendig ist, kann möglichst effizient und volkswirtschaftlich günstig umgesetzt werden.
Die Gesamtkosten für die Integration der Erneuerbaren Energien Anlagen werden durch das Konzept der Einspeisesteckdose deutlich reduziert. Die aktuelle Kostenverteilung ist jedoch kritisch zu hinterfragen. Um die volkswirtschaftlichen Effizienzen zu heben, ist eine verursachergerechte Kostenbeteiligung der EE-Analgen notwendig.
Das Pilotprojekt der LVN in Balzhausen konnte beweisen, dass das Konzept Einspeisesteckdose auch in der Praxis funktioniert. Mit derartigen Konzepten kommen wir dem Ziel, die Klimaneutralität möglichst schnell, effizient und kostengünstig zu erreichen, ein Stück näher.
Quelle: LEW Verteilnetz GmbH
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