Im März 2020 gingen Deutschland und viele andere Länder in den Lockdown und schlossen plötzlich die Grenzen. Wer wie Wilhelm Kapale, technischer Mana ger bei wpd windmanager, gerade im Familienurlaub in Kamerun war, kam nicht so schnell zurück. Aber war das überhaupt nötig? „Im ganzen Unternehmen arbeiteten die Mitarbeiter im Homeoffice“, erzählt Wilhelm Kapale. „Wieso sollte das also nicht auch in Yaoundé gehen?“ Das Einzige, was Kapale brauchte, waren ein Rechner und eine stabile Internetverbindung.

Kapale besorgte sich Computer und Monitor. Er richtete sich bei seiner Schwester einen Arbeitsplatz ein. Strom gab es in seinem neuen Büro noch nicht – die Kabel zog er kurzerhand selbst ein. Probleme mit dem Fernzugriff aus Kamerun seien schnell durch die IT-Abteilung gelöst worden. „Im Stadtzentrum von Yaoundé gab es eine stabile Internetverbindung, die nur gelegentlich wegen der Regenzeit ausfiel.“ Fast fünf Monate hat Kapale im Kameruner Homeoffice verbracht – virtuelle Meetings mit den Kollegen und Auswertungen von Reports aus norddeutschen Windparks inklusive. 

Von der Not zur Tugend: Pandemie gibt Schub für digitale Betriebsführung

Doch auch in Deutschland wechselten Mitarbeiter ins Homeoffice. Reisebeschränkungen stellten technische Betriebsführung und Service vor Probleme. „Wir hatten bereits 2019 damit begonnen, alle Abläufe zu digitalisieren“, sagt Stefan Jensen, Leitung Technische Betriebsführung Wind bei der GP Joule Service. „Die Pandemie hat uns dann nochmal einen großen Schub gegeben.“ Jensen sieht vor allem die Vorteile: „Wir sind effektiver geworden. Während früher zum Beispiel Verträge per Mail mehrfach hin- und hergeschickt wurden, ist jetzt die gemeinsame Arbeit an einem Dokument per Video-Call selbstverständlich.“ Auch Gesellschafterversammlungen konnten online organisiert werden. „Das spart eine Menge Reisezeit und -kosten“, sagt Jensen.

Während die etablierten Prozesse profitieren, gebe es jedoch bei der Integration neuer Mitarbeiter und dem Neukundengeschäft Probleme: „Onboarding im Homeoffice, das funktioniert nur bedingt. Und auch Messen, bei denen man mit neuen Kunden ins Gespräch kommt, sind virtuell schwerer umsetzbar,“ erläutert Jensen.

Kundenpflege online: Die Emotionalität fehlt

Auch Messen und sonstige Veranstaltungen zur Kundenpflege weichen in den digitalen Raum aus. „Wir haben im Frühjahr 2020 unser Praxisforum zusammen mit unseren Partnerunternehmen MVV und Windwärts online angeboten“, berichtet Christian Hinsch, Pressesprecher des Wörrstädter Projektierers juwi. Als im Herbst die Windenergietage abgesagt wurden und die Hamburg WindEnergy-Messe im Dezember ausschließlich im Internet stattfand, lebte die Idee unter dem Namen „Digitales Energieforum Wind“ neu auf, mit täglichen Vorträgen von Experten zu aktuellen Themen der Branche: „Wir hatten pro Vortrag bis zu 70 Zuhörer“, sagt Hinsch. Was fehlt, ist der informelle Teil: Die Messeparty, bei der 100 oder mehr Gäste sich vernetzen. „Wir haben jedoch einige Kunden zu virtuellen Weinproben eingeladen“, erzählt Hinsch von einem Versuch im kleinen Rahmen. 20 Teilnehmer bekamen vorab ein Wein paket, ein regionaler Winzer berichtete über seine Weine und juwi-Mitarbeiter unterhielten sich mit den Kunden. „Man kann gute virtuelle Veranstaltungen machen“, zieht Hinsch ein Fazit. „Aber die Emotionalität fehlt.“ Deshalb werde es in Zukunft wohl beides geben: „Die virtuellen Formate haben viele Vorteile, so dass wir sie auch weiter anbieten werden“, erklärt Hinsch. „Aber ganz ohne Präsenzveranstaltungen wird es nicht gehen.“

Virtuelle Bürgerbeteiligung bringt viele Vorteile

Weniger Emotionen können jedoch auch ein Vorteil sein: Während bei Veranstaltungen zu neuen Windparks die Gefühle schnell hochkochen, hilft das virtuelle Format, sachlicher zu bleiben. Notus energy, Projektentwickler aus Brandenburg, musste eine Informationsausstellung zum geplanten Windpark Dachsberg bei Werder im November absagen. Um trotzdem die Fragen der Anwohner zu beantworten, bot das Unternehmen eine Online-Konferenz an. Das Format wurde gut angenommen: Rund 50 Teilnehmer nahmen in der Spitze an dem Video-Chat teil.

Die Zuschauer konnten Fragen im Chat oder zugeschaltet auch direkt stellen. „Wir waren positiv überrascht, wie gut und sachlich die zweistündige Veranstaltung ablief“, sagt Mirko Hannemann, Projektleiter bei Notus energy. Die virtuelle Veranstaltung sorgte dafür, dass immer nur ein Redner sprechen konnte. Unterbrechungen oder Zwischenrufe waren nicht möglich. „Wir konnten mehr Material zeigen als das bei einer Präsenzveranstaltung der Fall gewesen wäre“, so Hannemann. „Außerdem konnten mehr Mitarbeiter dabei sein, so dass wir auch viele Detailfragen direkt beantworten konnten.“ Für Hannemann ein Grund, auch künftig über virtuelle Veranstaltungen als Ergänzung nachzudenken. „Am Ende haben sich viele – auch die Kritiker des Projektes – bei uns bedankt“, betont Hannemann.

Pandemie erfordert Improvisationsgeschick beim Offshore-Service

Während in der Betriebsführung und in der Projektentwicklung vieles auch virtuell möglich ist, gilt das für den Service nur bedingt. Manchmal muss eben doch jemand zur Anlage fahren. „Onshore war das gar nicht das große Problem“, sagt Carl Rasmus Richardsen, Geschäftsführer Deutsche Windtechnik Offshore und Consulting. „Wir haben feste Zweier-Teams zusammengestellt, das lief gut.“ Schwieriger wurde es mit den Wartungsarbeiten auf dem Meer: „Wir haben 80 Leute aus den unterschiedlichsten Ländern auf einem Schiff am Windpark. Um dort die Crew auszutauschen, reichte früher ein Tag. Jetzt brauchen wir bis zu drei Tage“, erzählt Richardsen. Zunächst müssen alle möglichst individuell zum Hafen reisen und dort einen Corona-Test machen. In einem sogenannten „Corona-Hotel“ wartet jeder allein auf seinem Zimmer, wie das Testergebnis ausfällt. Erst dann dürfen alle aufs Schiff, ohne jeden Kontakt auf dem Weg – auch wenn das einen drei Kilometer langen Fußmarsch vom Hotel in den Hafen mit rund 30 Kilo Gepäck bedeutet. Auch sonst ist viel Organisation und Improvisation gefragt: „Wir warten deutsche Parks von einem dänischen Basishafen aus“, erläutert Richardsen. Als im November bei dänischen Nerzen ein mutiertes Corona-Virus gefunden wurde, musste der Service über Cuxhaven arbeiten. Doch insgesamt sei die Stimmung unter den Servicetechnikern gut. „Wenn sie erstmal auf dem Schiff sind, ist ja alles wie früher“, sagt Richardsen


Das könnte Sie auch interessieren: