Grundlage der meisten in Deutschland genehmigten und errichteten Windenergieanlagen (WEA) ist als Nachweis zur Standsicherheit die sogenannte Typenprüfung beziehungsweise der Prüfbericht zur Typenprüfung. Hier ist in der Regel vorgesehen, dass WEA eine Entwurfslebensdauer von mindestens 20 Jahren haben. Diese Vorgabe resultiert aus der DIBtRichtlinie (Richtlinie für Windenergieanlagen -Einwirkungen und Standsicherheitsnachweise für Turm und Gründung, Stand Oktober 2012, korrigierte Fassung März 2015), welche als technische Baubestimmung mittlerweile in allen Landesbauordnungen der Bundesländer eingeführt wurde und anzuwenden ist. Die DIBt-Richtlinie sah schon in ihrer ersten Fassung in den 1990er-Jahren vor, dass die Entwurfslebensdauer auf mindestens 20 Jahre auszulegen ist. Grundlage ist dafür nicht nur die Zeitdauer von 20 Jahren, sondern alle relevanten und vorbeschriebenen Lastannahmen, die berücksichtigt werden, damit es innerhalb der Entwurfslebensdauer weder zu einer Schädigung noch zu einer Einschränkung der Standsicherheit kommt. Mit dem zeitlichen Erreichen der Entwurfslebensdauer sieht die aktuelle DIBt-Richtlinie vor, dass für einen technisch sicheren Weiterbetrieb ein Standsicherheitsnachweis erbracht wird (vgl. DIBt-Richtlinie, Kapitel 17 Weiterbetrieb von Windenergieanlagen). Die Prüfung zum Weiterbetrieb erfolgt mit der analytischen Methode durch Neuberechnung und durch eine praktische Methode mittels Überprüfung des tatsächlichen Zustands. Die Frage nach der Standsicherheit ist dabei für den Betreiber nicht neu. Nach den gleichlautenden Regelungen in den Landesbauordnungen muss jede bauliche Anlage im Ganzen und in ihren einzelnen Teilen standsicher sein (vgl. § 12 Musterbauordnung, zuletzt geändert 27.09.2019). Hieraus ergibt sich das Erfordernis, nach dem zeitlichen Erreichen der angenommenen Entwurfslebensdauer diese Standsicherheit zu prüfen und nachzuweisen. Es handelt sich dabei also um einen bautechnischen Nachweis.

Änderung der Genehmigung?

Die Genehmigungen für Altanlagen wurden zum damaligen Zeitpunkt als Baugenehmigung erteilt und gelten heute als immissionsschutzrechtliche Genehmigung (§ 67 Abs. 9 BImSchG). Abhängig von der Art der Genehmigung werden diese in der Regel unbefristet erteilt. Mit dem Nachweis der Standsicherheit gemäß DIBt-Richtlinie gilt die ursprüngliche Genehmigung fort, sodass es in Bezug auf die unveränderte WEA weder einer Neugenehmigung noch einer Verlängerung einer Geltungsdauer der ursprünglichen Genehmigung bedarf. Insbesondere hat die Thematik auch keinen Einfluss auf weitere Auflagen zur Genehmigung, z. B. in Bezug auf Artenschutz, Schall, Schatten etc. Der Umgang mit dem Thema Weiterbetrieb ist in der Verwaltungspraxis allerdings sehr unterschiedlich und nicht immer korrekt.

Was bleibt noch unter dem EEG?

WEA sind unabhängig von ihrem Förderende Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Erneuerbaren Energien im Sinne des § 3 Nr. 1 EEG 2021 und genießen damit auch die Rechte aus dem EEG. Es verbleibt also insbesondere bei der vorrangigen Abnahmeverpflichtung des Stroms aus erneuerbaren Energien wie auch bei der Entschädigungsregelungen in Höhe der entgangenen Einnahmen im Falle von Einspeisemanagement-Maßnahmen bzw. den zukünftigen Redispatch-Maßnahmen (sog. kleiner Anwendungsbereich).

Keine Rechte ohne Pflichten:

Altanlagen müssen nach wie vor mit den technischen Einrichtungen der geltenden Regelungen ausgestattet werden, die entsprechend auf sie anwendbar sind. Dies ist in der Regel die Möglichkeit des Netzbetreibers, bei Netzüberlastung die Einspeiseleistung ferngesteuert zu reduzieren und auch die Ist-Einspeisung abzurufen.

Aber es können auch neue Pflichten hinsichtlich der Fernsteuerbarkeit entstehen, wenn sich die Altanlagen in die sonstige Direktvermarktung unter dem EEG 2021 begeben. Die Schaffung der stufenlosen Fernsteuerung ist verpflichtend, sobald die technischen Möglichkeiten hierzu bestehen und entsprechende Markterklärungen des Bundesamtes für Sicherheit und Informationstechnik ergehen. Wobei hierbei noch zu diskutieren bleibt, was „stufenlos“ im Einzelnen bedeutet.

EEG 2021 ermöglicht Anschlussförderung für Bestandsanlagen

Das Gesetz zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und weiterer energierechtlicher Vorschriften vom 21.12.2020 schafft einen Rahmen für eine Anschlussförderung, die unter anderem mit der Corona-bedingten negativen Entwicklung der Strompreise begründet wird.
Die Anschlussförderung gilt nach der Legaldefinition aus § 3a) Nr. 3a EEG 2021 für Anlagen, die vor dem 01.01.2021 in Betrieb genommen worden sind und bei denen der ursprüngliche Anspruch auf Zahlung beendet ist.

Um den Anlagenbetreiber eine weitere Einspeisung beziehungsweise automatische Einspeisung zu ermöglichen, regelt der Auffangtatbestand in § 21c Abs. 1 Satz 3 EEG 2021 die automatische Zuordnung zur Einspeisevergütung, wenn der Anlagenbetreiber nicht rechtzeitig handelt beziehungsweise seine Vermarktung nicht organisiert hat.

Damit befinden sich ausgeförderte Anlagen automatisch in der neuen Veräußerungsform der Einspeisevergütung, wenn für sie keine andere Zuordnung getroffen wurde.

Das Vergütungssystem nach § 23b Abs. 2 Satz 3 EEG 2021 sieht bei der Einspeisevergütung für WEA an Land, deren Förderanspruch am 31.12.2020 endet, eine Anschlussförderung in Form der Einspeisevergütung vor. Der für die Einspeisevergütung anzulegende Wert entspricht dabei dem Monatsmittelwert des Marktwertes für WEA an Land gemäß Anlage 1 Nr. 3 zu EEG 2021.

Der anzulegende Wert erhält einen Aufschlag wie folgt:

  • zzgl. 1,0 ct/kWh für Strom, der vor dem 01.07.2021 erzeugt wird
  • zzgl. 0,5 ct/kWh für Strom, der vor dem 01.10.2021 erzeugt wird
  • zzgl. 0,25 ct/kWh für Strom, der ab dem 01.10.2021 bis zum 31.12.2021 erzeugt wird

 

Um den beihilferechtlichen Vorgaben zu entsprechen, erfolgt allerdings hiervon ein Abzug für die Vermarktungskosten gemäß §§ 21 Nr. 3a), 53 Abs. 1 Nr. 2 EEG 2021 von 0,4 ct/kWh. Der Zeitraum der Einspeisevergütung ist befristet bis zum 31.12.2021.

Darüber hinaus kommen Altanlagen, deren Förderanspruch am 31.12.2020 oder am 31.12.2021 endet, nur dann in den Genuss einer weiteren Förderung, wenn sie als Anspruchsberechtigte durch Ausschreibung einen Zuschlag erhalten (§ 23b Abs. 2 Satz 1 und 2 EEG 2021). Auch hier obliegt der anzulegende Wert einem Abzug der Vermarktungskosten von 0,4 ct/kWh.

§ 95 Nr. 3a EEG 2021 ermächtigt, durch Verordnung den Inhalt und das Verfahren zur Ausschreibung zu regeln. Als Mindestvorgaben aus dem EEG gelten:

  • Festlegung der Gebotstermine
  • Festlegung der teilnahmeberechtigten Bieter (insbesondere ist vorgesehen, dass nur Betreiber von WEA an Land teilnehmen dürfen, deren WEA sich auf einer Fläche befinden, auf der die Errichtung einer neuen WEA planungsrechtlich nicht zulässig ist)
  • Festlegung des konkreten Ausschreibungsvolumens mit Abweichungsmöglichkeit
  • 2021 Ausschreibungsvolumen 1.500 MW
  • 2022 Ausschreibungsvolumen 1.000 MW
  • Anwendung von § 36h EEG 2021 für den anzulegenden Wert
  • Festlegung des Höchstwertes der Gebote von mindestens 3,0 ct/kWh und maximal 3,8 ct/kWh
  • Regelungen zur Begrenzung der Zuschläge auf 80 % der abgegebenen Gebote im Falle einer Unterzeichnung der Ausschreibung

Nach den Vorgaben des Gesetzgebers ist die Verordnung schnellstmöglich, spätestens bis zum 30.06.2021 zu erlassen. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei einer erfolgreichen Teilnahme an der Ausschreibung eine Förderung mit Zuschlag bis zum 31.12.2022 befristet ist.
Hinweis: Die Regelung der Einspeisevergütung für ausgeförderte WEA an Land unterliegt gemäß § 105 Abs. 5 EEG 2021 dem Genehmigungsvorbehalt durch die Europäische Kommission.

Keine große Wahl zwischen Anschlussförderung und Direktvermarktung:

Der Gesetzgeber beschränkt des Weiteren die Möglichkeit des Wechsels zwischen der Einspeisevergütung und der sonstigen Direktvermarktung für diejenigen ausgeförderten WEA, deren Förderung zum 31.12.2020 endet (vgl. § 21b Abs. 1a) EEG 2021). Der Wechsel ist damit nur einmalig im Jahr 2021 möglich. Nach der Gesetzesbegründung, um ein „Rosinenpicken“ der Betreiber mit dem Ziel der höchsten Einnahmen zu verhindern.

Fazit

Viele Betreiber haben mit der gesetzlichen Anschlussförderung erstmal für das Jahr 2021 Glück gehabt. Da ein wirtschaftlich sinnvoller Weiterbetrieb eine langfristige Planung und Konzeptionierung erfordert, ist dieser mit der derzeitigen Regelung natürlich nicht gesichert. Offen bleiben die Fragen, ob mit der Anschlussförderung ein Weiterbetrieb wirtschaftlich möglich ist. Für einen längeren und technisch machbaren Weiterbetrieb müssen die Formen der sonstigen Vermarktung ab 2022 beziehungsweise spätestens ab 2023 feststehen. Andernfalls fehlt es an einer wirtschaftlichen Grundlage. Vor dem Hintergrund, dass die sonstige Direktvermarktung zeitlichen Vorlauf benötigt, besteht aktuell noch die Möglichkeit kurz durchzuatmen, danach sollte die Suche nach der zukünftigen Vermarktung schnellstmöglich beginnen. Andernfalls endet sang- und klanglos der Weiterbetrieb, sei er auch technisch möglich, allein aufgrund der fehlenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.


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