Gesetzliche Ausgangslage
Nach dem bisherigen System unterlagen EE und KWKAnlagen dem Einspeisemanagement nach dem EEG, während für konventionelle Anlagen das Redispatch Regime des EnWG einschlägig war. Aufgrund hoher Kosten und weiterer Schwächen des Systems wurde diese Aufteilung abgeschafft und mit § 13a EnWG zum 1. Oktober 2021 das neue Redispatch 2.0 Regime eingeführt. Redispatch 2.0 greift für alle Anlagen mit einer Nennleistung ab 100 Kilowatt. Im Zuge dessen wurden die §§ 14, 15 EEG zum Einspeisemanagement abgeschafft.
Die zentrale Neuerung des Redispatch 2.0 Regimes gegenüber dem bisherigen Einspeisemanagement ist die Einführung eines bilanziellen Ausgleichs von RedispatchMaßnahmen direkt zwischen dem Bilanzkreisverantwortlichen (BKV) und dem Netzbetreiber. D.h. regelt der Netzbetreiber eine EEAnlage ab, gleicht er dem BKV die Fehlmenge im Bilanzkreis aus und stellt ihn so, als hätte die EEAnlage erzeugt. Folglich gilt auch die Stromlieferung von dem Anlagenbetreiber an den BKV als erfolgt und die Mengen können gewöhnlich vertraglich vergütet werden. Eines finanziellen Ausgleichs zwischen Anlagenbetreiber und Netzbetreiber bedarf es somit nur noch, wenn über den bilanziellen Ausgleich hinaus ein weiterer Schaden entstanden ist (z. B. zur Kompensation fehlender Herkunftsnachweise bei Anlagen in der sonstigen Direktvermarktung).
Mit der Einführung von Redispatch 2.0 ging zudem die Schaffung einer Vielzahl neuer Rollen und Aufgaben für alle Prozessbeteiligten einher. Aus Sicht der Anlagenbetreiber sind hier insbesondere die Rollen des Einsatzverantwortlichen („EIV“) und des Betreibers Technischer Ressource („BTR“) relevant. Diese Rollen sind zwar grundsätzlich dem Anlagenbetreiber zugeordnet, sollten aber vertraglich auf Dienstleister übertragen, da die Marktkommunikationsprozesse und Datenlieferungsverpflichtungen eine gewisse ITStruktur voraussetzen. In der Praxis bietet sich eine Übertragung auf den Direktvermarkter an und ist auch üblich, da dieser viele der erforderlichen Daten bereits hat bzw. die technischen Voraussetzungen am ehesten erfüllen kann. Dafür ist eine Anpassung bzw. Regelung im Direktvermarktungsvertrag erforderlich. Nach unserer Einschätzung bieten nahezu alle Direktvermarkter eine Übernahme dieser Rollen – allerdings in einem unterschiedlichen Umfang und gegen unterschiedliche Dienstleistungsentgelte – an. Eine aktuelle Anbieterliste findet sich auf der Internetseite des BDEW1.
Übergangslösung des BDEW
Kurz vor dem Stichtag am 1. Oktober 2021 wurde deutlich, dass eine fristgerechte Umsetzung von Redispatch 2.0 durch die Netzbetreiber nicht flächendeckend möglich sein wird. Aus diesem Grund hat der Branchenverband BDEW in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur (BNetzA) und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) eine Übergangslösung veröffentlicht. Die BNetzA hat mitgeteilt, dass sie keine Aufsichtsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen § 13a EnWG einleiten wird, solange sich die Marktbeteiligten im Rahmen der Übergangslösung bewegen, da eine kurzfristige Gesetzesänderung als Alternative nicht in Betracht kam. Eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage oder Kompetenz zur Änderung der seit 1. Oktober 2021 geltenden neuen Regeln ist damit gleichwohl nicht verbunden.
Die Übergangslösung gilt für alle Anlagen, die zum 1. Oktober 2021 neu unter das Redispatch 2.0 Regime fallen. Die Übergangslösung ist ausdrücklich bis zum 31. Mai 2022 befristet. Spätestens zum 1. März 2022 ist die Betriebsbereitschaft von allen Prozessteilnehmern sicherzustellen. Dann startet ein dreimonatiger Testbetrieb des Redispatch 2.0 Zielmodells.
Der bilanzielle Ausgleich wird im Rahmen der Übergangslösung zunächst ausgesetzt bzw. nach dem Wortlaut des BDEW vorübergehend pauschal auf null reduziert. Die Bilanzkreisbewirtschaftung findet also (weiterhin) durch den BKV statt, der wie schon beim Einspeisemanagement Maßnahmen des Netzbetreibers möglichst antizipieren muss. Der bilanzielle Ausgleich wird vorübergehend auch zwischen BKV und Netzbetreiber durch einen finanziellen Ausgleich ersetzt. Die Bestimmung der Abrechnungsmenge (sog. Ausfallarbeit) erfolgt nach dem jeweils gewählten Abrechnungsmodell (also Pauschal, Spitz oder „Spitz Light“ Verfahren). Als Preis für diese Ausfallarbeit wird dabei folgender Mischpreis angesetzt: Zu 72,5 % auf Basis des IntradayPreisindex ID1 und zu 27,5 % auf Basis des Ausgleichsenergiepreises reBAP.
Der finanzielle Ausgleich des Anlagenbetreibers bleibt davon unberührt, d.h. dieser ist auch im Übergangsmodell durchzuführen. Im Fall einer Anlage in der geförderten Direktvermarktung muss der Netzbetreiber also i.d.R. die Marktprämie auszahlen, bei ausgeförderten oder neuen Anlagen ohne EEGFörderung meist für entgangene Herkunftsnachweise kompensieren.
Bereits vor der Einführung der Übergangslösung wurde entschieden, dass das Planwertmodell als eines der zwei möglichen Bilanzierungsmodelle (neben dem Prognosemodell) für das 1. Jahr bis zum 1. Oktober 2022 ausgesetzt wird. Das Planwertmodell hat in der Praxis allerdings ohnehin einen recht geringen Anwendungsbereich, da es primär für Anlagen am 380kVHöchstspannungsnetz vorgeschrieben ist.
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Zahlreiche Probleme in der Praxis
Zunächst sollte überprüft werden, welche Vergütungsregelung der Direktvermarktungsvertrag im Fall von RedispatchAbrufen vorsieht. Unter Zugrundelegung des Zielmodells wurde oft eine Vergütung vereinbart, soweit der Direktvermarkter bilanziell entschädigt wird. Es sollte klargestellt werden, dass die Vergütungspflicht auch im Falle einer rein finanziellen Entschädigung des Direktvermarkters als BKV greift, was eindeutig Sinn und Zweck der Regelung entspricht. Unklar ist dabei allerdings, wer im Rahmen der Übergangslösung für einen etwaigen Nachteil des BKV in Höhe der Differenz zwischen dem finanziellen Ausgleich und der bei ordnungsgemäßer Durchführung des bilanziellen Ausgleichs anfallenden Kosten aufkommt. Dieser kann insbesondere dann entstehen, wenn der finanzielle Ausgleich aufgrund des in der Übergangslösung festgelegten Mischpreis ID1/reBAP die verursachten Kosten nicht deckt. Mangels gesetzlicher Legitimation der Übergangslösung sind hier je nach Gestaltung im Einzelfall Ansprüche des BKV oder aber des Anlagenbetreibers gegenüber dem Netzbetreiber denkbar.
Seit dem 1. Oktober stellt sich zudem ein Kommunikationsproblem: RedispatchAbrufe der Netzbetreiber wurden im Oktober nicht über die Datenaustauschplattform Connect+ an den EIV übermittelt. Damit fehlt auch die entsprechende Datengrundlage für die Dokumentation von RedispatchAbrechnung sowie der Bestimmung der Ausfallarbeit als Grundlage für finanziellen Ausgleich sowohl des BKV als auch des Anlagenbetreibers. Bis auf Weiteres müssen sich Anlagenbetreiber und Direktvermarkter deshalb selbst behelfen und etwa auf Grundlage von SCADA bzw. SensorikDaten die mögliche Ausfallarbeit für den Fall berechnen, dass Netzbetreiber keine ordnungsgemäßen Abrechnungen stellen. Direktvermarkter als BKV und Anlagenbetreiber haben hier ein gleichgelagertes Interesse, da ohne Stromproduktion und ohne Abrechnung keine Auszahlung bzw. finanzieller Ausgleich erfolgen kann, weder an den BKV, noch den Anlagenbetreiber. Besteht Unklarheit darüber, ob Leistungsabfälle und Nichtverfügbarkeiten auf RedispatchMaßnahmen zurückzuführen waren, empfiehlt sich zudem, die entsprechenden Informationen (z. B. auf Monatsbasis) vom Netzbetreiber zu verlangen, soweit nicht die im SCADASystem gespeicherten Daten im Einzelfall eine Ermittlung der Ausfallarbeit zweifelsfrei ermöglicht.
Im Grunde wird die Abrechnung daher zunächst wahrscheinlich ähnlich ablaufen, wie dies beim Einspeisemanagements bislang der Fall war.
Start des bilanziellen Ausgleichs
Auch unter Geltung der Übergangslösung ist es den Netzbetreibern jedoch selbstverständlich möglich (und im Rahmen der Möglichkeit auch angezeigt), das Zielmodell des Redispatch 2.0 wie gesetzlich vorgesehen schnellstmöglich umzusetzen und einen bilanziellen Ausgleich durchzuführen.
Dass es grundsätzlich möglich ist, zeigen erste Beispiele: Zum 1. November 2021 wurde der bilanzielle Ausgleich für alle direkt an das 50HertzÜbertragungsnetz angeschlossenen Erzeugungsanlagen implementiert. Dort startet also bereits die Umsetzung von Redispatch 2.0 mit (vergleichs weise) gutem Beispiel, dem hoffentlich zeitnah weitere Netzbetreiber folgen werden.
Fazit
Auch unter Geltung der Übergangslösung stellen sich in der praktischen Umsetzung eine Vielzahl von Problemen. Insofern ist es wichtig, frühzeitig in die Abstimmung mit den Vertragspartnern, insbesondere dem Direktvermarkter als EIV und BKV, zu gehen und gemeinsam eine konstruktive und gangbare Lösung insbesondere hinsichtlich der Dokumentation und Abrechnung von RedispatchAbrufen zu finden.
Dieser Text wurde erstmalig im BetreiberBrief 04/2021 veröffentlicht.
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