Vor einigen Jahren war der Begriff Power Purchase Agreement („PPA“) bereits in aller Munde, doch tatsächliche Abschlüsse gab es in Deutschland nur vereinzelt. Seither hat sich viel getan. Inzwischen hat das PPA-Geschäft Marktreife erreicht. Die Akteursvielfalt und Diversität in Lieferstrukturen und Pooling-Konzepten sowie direkten Lieferbeziehungen zwischen Erzeugern und Verbrauchern (sog. Corporate PPAs) hat stark zugenommen. Das aktuell sehr volatile Marktumfeld bringt besondere Herausforderungen mit sich, bietet aber auch Chancen und Risiken, die in jedem PPA sorgfältig abgewogen werden müssen, um die berechtigten Interessen aller Beteiligten langfristig abzusichern und eine möglichst hohe Transaktionssicherheit zu gewährleisten.
Auch wenn es inzwischen eine Vielzahl an Vertragsabschlüssen gibt, zu einer wirklichen Standardisierung ist es bislang nicht gekommen. Zwar haben sich verschiedene Vertragsstandards entwickelt, die die meisten PPAs erfüllen. Ausgangspunkt waren zu Beginn bei Windenergieanlagen Direktvermarktungsverträge, die z. B. für den Post-EEG Weiterbetrieb in der sonstigen Direktvermarktung auf Festpreisbasis weiterentwickelt wurden. Bei neuen Solaranlagen wurden wiederum Vertragsmechanismen aus internationalen PPAs integriert, da das PPA Finanzierungsfunktion übernimmt und vor Baubeginn und als Basis für die Projektfinanzierungsentscheidung geschlossen wird. Deshalb liegt besonderes Augenmerk auf Themen wie Lieferverzug (Delay), Leistungsreduzierungen (Capacity Shortfall) oder Sicherheiten (Credit Support). Inzwischen kommen diese Verträge aufgrund der hohen Börsenpreise auch bei neuen, im Rahmen von Ausschreibungen bezuschlagten Windprojekten zumindest in einer Anfangsphase zum Einsatz.
Utillity PPAs: Pay as produced
Im Detail gibt es jedoch erhebliche Unterschiede und die Risikoverteilung fällt sehr unterschiedlich aus und nicht sämtliche Risiken aus Betreibersicht sind auf den ersten Blick erkennbar. Immerhin hat sich aus Betreibersicht eine Art Standard-Lieferstruktur herausgebildet: Bei Utillity PPAs, also einem sog. Upstream-PPA mit einem Energieversorgungsunterneh-men als Abnehmer und Weiterverteiler, ist das eine sog. pay as produced Lieferstruktur mit Festpreis je MWh und einer gewissen Mengenabsicherung. Dies ist für den Betreiber der EE-Anlage als Lieferant die wohl unkomplizierteste Abrede und der „normalen“ Direktvermarktung am nächsten. Da das Utility die Liefermengen und den Festpreis meist durch Letztverbraucherbelieferung (Downstream) absichert, da die Terminmärkte über die Vertragslaufzeit von häufig rund 10 Jahren nicht hinreichend liquide sind, besteht das Utility meist auf einer gewissen Mengenzusage, etwa in Form einer Verfügbarkeitsgarantie oder Absicherung einer z. B. jährlichen Mindestliefermenge gemäß Ertragsgutachten.
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Corporate PPAs
Zwischenzeitlich haben Abschlüsse von sog. Corporate PPA ebenfalls stark zugenommen. Dies ist auch ein Beleg von Marktreife und dass die Lernkurve der Industriekunden, die sich ESG-compliant vergrünen und über PPA Herkunftsnachweise („HKN“) beschaffen müssen, gestiegen ist. Bei Corporate PPA besteht für die Unternehmen insbesondere die Schwierigkeit, die Stromlieferung in ihr Beschaffungsportfolio einzubet-ten, da die wenigsten Unternehmen über eigene Bilanzkreise verfügen und die Marktlokation der EE-Anlage des Lieferanten nicht direkt dem Letztverbraucher-Bilanzkreis zugeordnet werden können. Deshalb wird in Corporate PPAs typischerweise pay as forecasted bzw. pay as nominated geliefert. Hier wird meist auf den Day Ahead Forecast, d.h. die Erzeugungsprognose für den Folgetag, abgestellt und nur diese prognostizierte Menge am Folgetag geliefert. Aus Betreibersicht muss deshalb ein Dienst-leister involviert werden, der sich um die Bilanzkreisabwicklung und Mehr- und Mindermengenbeschaffung kümmert.
Bei neuen PV-Projekten hat das PPA Finanzierungsfunktion und muss des-halb auch den Anforderungen der finanzierenden Bank entsprechen. Bei neuen Windprojekten gilt dies nur eingeschränkt, da in der Regel ein Zuschlag aus einer Ausschreibung als „Fallschirm“ dient. Die Mechanismen zur Risikoverteilung und -absicherung sind aktuell noch stark abhängig von den Projektbeteiligten und deren Bonität, Knowhow und Risikobe-reitschaft bzw. -aversität, was sich jeweils auf den PPA-Preis auswirkt.
Vertragliche Vorgaben
Dabei müssen in PPAs einige Themen vertraglich geregelt werden, die im Rahmen eines gewöhnlichen Direktvermarktungsvertrags (im Marktprämienmodell) schon über das EEG vorgegeben sind. Denn die technischen bzw. regulatorischen Anforderungen des EEG und sonstiger gesetzlicher Anforderungen an den Anlagenbetrieb müssen auch bei PPA Projekten eingehalten werden (z. B. Fernsteuerbarkeit, Redispatch oder REMIT). Im Übrigen müssen die verschiedenen Projekt-, Mengen- und Marktrisiken im Rahmen
des PPA zwischen den beteiligten Parteien angemessen verteilt werden, um die Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit über einen langen Zeitraum von regelmäßig rund 10 Jahren, in Einzelfällen auch bis zu oder sogar länger als 20 Jahren, abzusichern. Bei Vertragsschlüssen jenseits von 10 Jahren sind zudem AGB- und wettbewerbsrechtliche Aspekte besonders zu beachten. Typische Mechanismen zur Risikoabsicherung sind Mengenabsicherung (z. B. über Verfügbarkeitsgarantien), Preisanpassungen (z. B. durch Indexierung oder Anpassung an steigende Dienstleistungsentgelte für das Bilanzkreismanagement), Sicherheitenstellung sowie in möglichst eng abgegrenzten Fällen auch durch außerordentliche Kündigungsrechte mit der Pflicht zur Zahlung von Kündigungsschadensersatz (Termination Amount) auf pauschalierter Basis oder nach marktüblichen sog. Mark-to-market Klauseln.
Volatile Strompreise
Die seit rund einem Jahr besonders hohen und volatilen Strombörsenpreise haben zu einer erheblichen Marktveränderung geführt. Zunächst zu hohen Abschlüssen von Verträgen bzw. Nachträgen, wodurch die Vermarktung selbst von geförderten EEG-Anlagen vorübergehend zu festen Preisen über PPA abgesichert wird (sog. Direktvermarktung 2.0). Inzwischen führen die hohen und volatilen Strompreise und Ankündi-gungen von politischen Eingriffen jedoch zu zögerlicherem Verhalten. Ein Abschluss zu besonders hohen Preisen birgt erhebliche finanzielle Risiken vor allem auf Abnehmerseite, die abgesichert werden müssen. Denn mit hohen Strommarktpreisen kommt es zwangsläufig auch zu vergleich-bar hohen Ausgleichsenergiekosten. Dies hat auch Auswirkungen auf die Dienstleistungsentgelte, die Dienstleister etwa für das Bilanzkreis-management verlangen und die nur noch selten über längere Zeiträume fixiert sondern meistens dynamisch ausgestaltet werden.
Zudem ist es zu einer Vielzahl an finanziellen Abnahme- und Absicherungs-angeboten gekommen (u. a. Financial PPA), wonach kein Strom geliefert und abgenommen wird, sondern lediglich Marktpreisentwicklungen abgesichert und finanziell abgewickelt werden. Dabei handelt es sich häufig um sog. Finanzinstrumente, die z. B. nach dem Kreditwesengesetz (KWG) aufsichtsrechtlich zu beleuchten sind und häufig zusätzliche Reporting-Pflichten auslösen (z. B. nach der europäischen EMIR-Verordnung).
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