Ganz zu Anfang gefragt: Wer ist schon so verrückt, sich die Geschäftsführung eines Windparks anzutun? Und das auch noch für Betreiber, die man kaum kennt? Wenn die Bürgerwindparks der 1990er Jahre eines gelehrt haben, dann das: In der Not kennt der Betreiber – soll heißen der Gesellschafter – kein Gebot und hat vor allem einen, den er an den Haken nehmen kann, die Geschäftsführung. Und eine zweite Lehre kommt hinzu: Wer schwache Nerven hat oder auf schnelle Rendite aus ist, sollte sowieso nicht in die Erneuerbaren gehen, weder als Geschäftsführer noch als Betreiber.
Nun sind die Bürgerwindparks und die offenen Fonds, mit denen man seinerzeit Geld einsammelte, weitgehend Vergangenheit. Crowdfunding-Projekte und Genossenschaften sind an deren Stelle getreten. Ansonsten wird der Markt von großen Entwicklern dominiert, die Projekte realisieren und vielleicht noch Anteile an wenige Investoren verkaufen, aber im Betrieb den Hut aufbehalten. Das passiert im Übrigen vor allem über die Betriebsführungsverträge, die oft langjährig geschlossen wurden. Aber es ist immer hilfreich, wenn man an mehreren Hebeln ziehen kann. Geschäftsführung hilft. Da lässt sich schön betreiben. Und selbst wenn die Projekte dann schief gehen (man erinnere sich: „das Risiko einer unternehmerischen Beteiligung“), bleiben die persönlichen Risiken von Geschäftsführern eingrenzbar.
Nur bei fatalen Konstruktionsmängeln, echtem unternehmerischen Versagen oder gar bei betrügerischen Konstrukten ist das anders. Da greift dann auch die persönliche Haftung. Allgemein bekannt sind die Fälle, in denen Projektierer scheitern oder Betrüger aufgeflogen sind: Jüngst ging noch ein Urteil gegen einen Immobilienentwickler durch die Presse, der wohl Projekte in vermeintlichen Premiumlagen anbot, was sich aber als – sagen wir – irreführend erwies. Und selbst in den Erneuerbaren gab es diverse Insolvenzen, die sicher noch in Erinnerung sind. Pech? Fehlverhalten? Betrug? Von außen ist hier schnell zu urteilen. Wer aber in einem solchen Betrieb steckt, der in Schieflage gerät, wird das möglicherweise anders beurteilen. Zumal es hier um Projektierungsfirmen geht, die eine Vielzahl von Projekten händeln und dabei eben auch Fehlentscheidungen treffen, die sie hinterher aushalten und managen müssen.
Klein und nicht nur fein
Windparkprojekte haben aber einen anderen Charakter. Sie sind von überschaubaren Strukturen geprägt, Einnahmen und Ausgaben sind auf wenige Positionen beschränkt und relativ genau planbar. Zwar gibt es Inflationsrisiken bei den Kosten, vor allem bei den Vollwartungsverträgen, die heutzutage meist indexiert sind und deren Kosten deshalb deutlich steigen können. Das gilt auch für Pachtverträge, bei denen gelegentlich sogar Mindestvergütungen indexiert werden. Auf der Erlösseite hingegen können die Erneuerbaren unter ihrer kaum steuerbaren Produktionsressource leiden: Nicht der Absatz der Produktion ist das Problem, sondern die Produktion selbst, was unter dem schönen Begriff der „Volatilität“ des Windangebots gefasst wird – Wind weht halt oder eben nicht, Sonne scheint oder eben auch nicht.
Aber im Ganzen ist der Betrieb eines Windparks betriebswirtschaftlich gesehen nicht übermäßig kompliziert. Die Anlagen haben Vollwartungsverträge, der Rest wird über Versicherungen im Zaum gehalten. Die Einspeisevergütung pro Kilowattstunde ist mehr oder weniger über 20 Jahre gesichert. Und unter bestimmten Umständen lassen sich sogar Mehrerlöse generieren. Bei den formalen Rahmenbedingungen sieht es ein bisschen anders aus, also vor allem bei den verschiedenen Meldungen und Auflagen, die mit einem Windparkprojekt verbunden sind. Hier sei nur an das Bürokratiemonster Stromsteuer erinnert, an die Wiederkehrenden Prüfungen, an REMIT-Meldungen und Redispatch.
Dennoch und nebenbei kursieren immer wieder mal Vorwürfe, Betreiber würden allzu lax mit ihren Mitteln umgehen und vor allem bei Ausgaben und Entnahmen jedes Augenmaß fehlen lassen. Aber Hand aufs Herz – meist merkt man solchen Kritiken an, dass sie ein wenig praxisfern sind und von den eigentlichen Problemen im Betrieb wenig Ahnung haben. Aber sei’s drum. Man könnte zu dem Schluss kommen, dass es sich nicht lohnt, ein Windparkprojekt einem hauptamtlichen Geschäftsführer, etwa dem Betriebsführer in Personalunion, anzuvertrauen und sich auf die Rolle als Gesellschafter zurückzuziehen. Das ist auch richtig, wenigstens teilweise. Wenn denn nicht die Wahrheit, wie auch in diesem Fall, mal wieder ganz konkret wäre.
Und im Konkreten taucht eben nicht nur eine Menge Arbeit auf. Von der gibt es genug: Voraussetzung dafür, den Betrieb von Windparks selbst zu organisieren, ist mithin immer, dass man Zeit dafür hat und das vielleicht auch mit der notwendigen Aufmerksamkeit und Professionalität leisten kann. Hinzu kommt der Faktor Nervenstärke: Geschäftsführer, die täglich auf die Einspeisung lauern, werden das nicht lange aushalten. Die ersten Monate dieses Jahres warteten etwa mit einem historisch schlechten Windangebot auf. Der BDB-Index gab für die Monate Februar bis März Werte an, die erwartbare Einspeisungen von unter 50 Prozent ergeben. Das gabs wenigstens seit Mitte der neunziger Jahre noch nie (subjektiv gesagt). Im Vergleich dazu war der Februar 2018 ein Wonnemonat. Damit muss man leben können oder leben lernen.
Denkmodell
Also nochmal von vorne: Unter bestimmten Voraussetzungen ist es sinnvoll, sich auf die Rolle als Gesellschafter zu beschränken und die strategische und operative Verantwortung an andere abzugeben, die sich hauptamtlich darum kümmern. Das trifft vor allem auf Projekte zu, die von kleineren Betreibergruppen realisiert oder übernommen werden und deren Struktur relativ frei wählbar ist. In der Regel wird man Projekte, die von Projektierern realisiert werden, nicht frei vergeben können, Extremsituationen einmal ausgenommen, die es gelegentlich geben kann. Etwa wenn das Vertrauen fehlt oder das Unternehmen untergeht, zu dem die Geschäftsführung gehört.
Um ein Projekt selbst vollverantwortlich zu betreiben, sollten die folgenden Rahmenbedingungen gegeben sein:
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Es sollte wenigstens einer der Betreiber dafür freigestellt werden können, die Geschäftsführung und damit die volle Verantwortung zu übernehmen. (Bitte aufpassen auf die betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Auswirkungen! In manchen Konstruktionen ist die Personenidentität von Betreiber und Geschäftsführer steuerlich schädlich.)
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Um Haftungsfragen einzugrenzen, sollte der Geschäftsführer das Vertrauen seiner Gesellschafter besitzen und durch eine D&O-Versicherung abgesichert werden. Wobei zu bedenken ist, dass beim Geld selbst die Verwandtschaft aufhört und Vertrauen gut ist, aber eine Absicherung besser. Dass eine D&O nie freiwillig zahlt, sollte der Geschäftsführung allerdings bewusst sein.
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Neben der Nervenstärke, die die Schwankungen von Wind und Sonne erfordern, ist auch ein sonniges Gemüt förderlich. Denn wenn Projekte schlecht laufen, wird dafür in der Regel die Geschäftsführung verantwortlich gemacht. Und das nicht immer nur in höflichen Worten.
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Diese Person sollte also genügend Zeit dafür haben, sich um das Projekt zu kümmern, auch wenn die operativen Tätigkeiten weitgehend von einem Betriebsführer übernommen werden.
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Was darauf verweist, dass kaum eine Betreiberfirma Personal beschäftigt, sondern sich verschiedener Dienstleister bedienen muss, um handlungsfähig zu sein. Die einzige Person in einer Betreibergesellschaft ist der Geschäftsführer (m/w/d), alles andere kommt von außen.
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Es bleiben dennoch genügend rechtliche und betriebswirtschaftliche Themen, bei denen die Geschäftsführung gefordert ist. Etwa die Prüfung des Jahresabschlusses und die Durchführung von Gesellschafterversammlungen und Beschlüssen. Mal abgesehen davon, dass sie dauernd irgendwas entscheiden oder unterschreiben soll, von dem sie meist keine wirkliche Ahnung hat.
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Eine Geschäftsführung sollte sich also ein gediegenes Halbwissen aneignen und für den Rest ein kleines Netzwerk von Fachleuten pflegen, deren steuerliche und anwaltliche Bauchläden sie gelegentlich und informell in Anspruch nehmen kann. Das fängt bei der Androhung von Pönalen an und hört nicht bei der Prüfung von Abrechnungen auf.
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Außerdem muss eine Geschäftsführung die Optimierung der Erlös- und Kostenstruktur eines Projektes wenigstens begleiten und schließlich gegenüber den Gesellschaftern vertreten. Wenn etwa Festpreisvereinbarungen getroffen werden, setzt die Geschäftsführung ihre Unterschrift darunter. Wenn Wartungs- und Nutzungsverträge verhandelt oder revidiert werden, ist sie gefordert. Erst recht dann, wenn die Kapitaldienstreserve in Anspruch genommen werden soll.
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Schließlich sollte allen Beteiligten klar sein, dass auch die Geschäftsführung vergütet werden muss, auch dann, wenn einer von mehreren Gesellschaftern die Geschäftsführung übernimmt. (Achtung, Steuerthemen beachten!)
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Und weil das der wirklich wichtige Teil der geschäftsführenden Tätigkeit ist: Die Geschäftsführung muss die Entscheidung für die Sanierung einer Betreibergesellschaft oder für einen Insolvenzantrag treffen. Sie ist vor allem im Fall der Insolvenzreife persönlich haftbar, wenn sie sich vor dieser Entscheidung drückt oder dabei Fristen verpasst.
Wenn diese Bedingungen nicht in hinreichendem Umfang erfüllt werden können, dann sollten sich Betreiber ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, die Geschäftsführung ab- und weiterzugeben. Das kostet Geld, und die Betreiber gehen damit auch auf Distanz zu ihrem Projekt, das ihnen möglicherweise ans Herz gewachsen ist. Immerhin haben sie teils jahrelange Arbeit und viele Hoffnungen investiert. Aber es hilft nichts, sich vorzumachen, dass sich ein Projekt, das aus der Projektierung und dem Bau in die Betriebsphase geht, schon von selbst verwaltet. Das Projekt mag mit größter Umsicht und Sorgfalt vorbereitet worden sein, im Betrieb zeigt es eben auch sein anderes, sein unzuverlässiges Gesicht. Und damit muss man umgehen können. Wenn hier Zweifel auftauchen – dann lieber andere machen lassen, mit denen man sich dann gelegentlich zoffen kann. Keine Bange, sie werden auch dafür bezahlt.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 2-2025.
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