Als 2017 das Ausschreibungsverfahren für Windenergie eingeführt wurde, war es vor allem der zunehmende Kostendruck, den die Branche spürte. Jetzt, keine zwei Jahre später, sind die geringen Genehmigungszahlen der Flaschenhals für den weiteren Ausbau der Windenergie. Ein Problem: Widerstände und damit Klagen gegen Windprojekte von der Bevölkerung vor Ort.

Um die Akzeptanz zu verbessern, will die Bundesregierung daher „die Standortgemeinden stärker an der Wertschöpfung von EE-Anlagen beteiligen und die Möglichkeiten einer Projektbeteiligung von Bürgerinnen und Bürgern verbessern.“

Zur Diskussion stehen verschiedene Modelle. Agora Energiewende schlägt gemeinsam mit dem Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) eine Sonderabgabe vor, die den Umkreisgemeinden von Windenergieprojekten zugutekommt. Diese besteht aus zwei Teilen: einer einmaligen Zahlung, die sich aus Höhe und Leistung der Anlagen errechnet, sowie laufenden Zahlungen, ebenfalls abhängig von Anlagengröße und erzeugter Energie. Der Vorschlag der Stiftung Umweltenergierecht (SUER) geht in eine ähnliche Richtung: Für den Bau einer Windenergieanlage (WEA) wird eine Außenbereichsabgabe fällig. Professor Gerd Schmidt-Eichstaedt von der Plan und Recht GmbH bringt eine Konzession auf Windenergie ins Spiel, die – analog zum Bergrecht – für die Ressource Wind ab einer Höhe von 100 Metern anfallen soll. Der Städte- und Gemeindebund (StGB) will eine neue Konzessionsabgabe einführen, die Gemeinden dann nicht nur für verbrauchten Strom erheben, sondern auch für eingespeisten. Dieser Vorschlag ist der einzige, bei dem auch Standortgemeinden von Bestandsanlagen profitieren (siehe Tabelle).

Feldversuch seit 2016

Ein Feldversuch in Sachen Bürgerbeteiligung läuft schon seit Mai 2016 in Mecklenburg-Vorpommern, seit das Bürger- und Gemeindebeteiligungsgesetz in Kraft getreten ist. Die Idee: Projektträger müssen für neue Windparks eine haftungsbeschränkte Gesellschaft gründen und Anteile von mindestens 20 Prozent dieser Gesellschaft den unmittelbaren Nachbarn zur Beteiligung anbieten. Ein Anteil darf dabei maximal 500 Euro kosten. Alternativ können Projektträger den Sitz- und Nachbargemeinden im Umkreis von fünf Kilometern auch eine jährliche Ausgleichsabgabe anbieten, die Entscheidung liegt bei den Gemeinden. Gegen das Modell hat der Energieanwalt Professor Martin Maslaton eine Verfassungsbeschwerde angestrengt. Auch bei anderen Vorschlägen gibt es verfassungsrechtliche Bedenken.

„Bei den meisten Ideen, die derzeit diskutiert werden, geht es einfach nur um eine finanzielle Abgabe“, kritisiert Sonja Hemke, Abteilungsleiterin Fachgremien beim Bundesverband WindEnergie. „Die Bürgerinnen und Bürger bekommen nicht mit, was mit dem Geld geschieht.“

Damit würde die Wirkung, mehr Akzeptanz zu erzeugen, verpuffen. Der BWE schlägt daher ein Modell vor, bei dem die Bürgerinnen und Bürger mitdiskutieren, für welche Maßnahmen die zusätzlichen Mittel aus der Windenergie eingesetzt werden sollen. 1 bis 2 Prozent des Jahresumsatzes eines Windparks sollen demnach in die regionale Wertschöpfung fließen. „Man muss flexibel schauen, was vor Ort tatsächlich gebraucht wird“, so Hemke. Zu den Angeboten können etwa vergünstigte Bürger- und Gemeindebeteiligungen gehören oder finanzielle Beteiligungsmodelle wie Bürgersparbriefe. Möglich sind Vergünstigungen durch Bürgerstrommodelle, die Unterstützung von kommunalen Einrichtungen wie Kindergärten und Sportplätzen oder Partnerschaften mit regionalen Unternehmen.

Kommunen informieren, bevor der Planer kommt

Die Thüringer Energie- und GreenTech-Agentur (ThEGA) vergibt seit 2015 das „Siegel für faire Windenergie“ und steht Kommunen und Bürgern in Thüringen als neutrale Beratungsinstitution zur Seite. „Wir sprechen Kommunen in Eignungsgebieten aktiv an und beraten sie, bevor der Projektierer kommt“, erklärt Ramona Rothe, Leiterin der Servicestelle Windenergie in Thüringen. Flächeneigentümer und Gemeinden machen sich so vorab gemeinsam mit den Anwohnern ein Bild davon, welche Möglichkeiten zur Teilhabe und Beteiligung bestehen. Damit haben sie das Heft des Handelns in der Hand. Sie können mit ihren Vorstellungen an den Projektierer herantreten. „In der frühen Information steckt der Schlüssel für eine bessere Beteiligung“, ist sich Rothe sicher.

Für mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Pachteinnahmen kann dann etwa das von der ThEGA beworbene Flächenpoolmodell sorgen: Die Grundstückseigner einigen sich auf einen Verteilungsschlüssel der Pachteinnahmen für das gesamte Eignungsgebiet. 80 Prozent der Einnahmen werden anteilig an alle Eigentümer aufgeteilt, 15 Prozent gehen an die Grundstückseigner von Fundament-, Abstands-, Kranstell- und Wegeflächen, 5 Prozent in soziale Projekte in der Gemeinde, über die die Bevölkerung entscheiden kann. Neckaroda im Landkreis Weimarer Land hat eine solche Eigentümerinteressengemeinschaft gebildet. Durch die zehn Windenergieanlagen, die im Umkreis gebaut werden sollen, wird die Gemeinde jährlich 40.000 Euro im Jahr mehr zur Verfügung haben. „Die Gemeinde will damit einen Fahrdienst für ältere Menschen finanzieren“, berichtet Rothe. 

Siegel für faire Windenergie

Bei der Wahl der Projektierer können sich die Kommunen an dem Siegel für faire Windenergie orientieren. Wer das Siegel führt, verpflichtet sich, alle Interessengruppen im Umfeld eines Windparks während der gesamten Projektierungsphase einzubinden, transparent zu informieren, Beteiligungsmöglichkeiten zu schaffen und regionale Energieversorger einzubeziehen. 48 Unternehmen tragen inzwischen in Thüringen das Siegel. Nach dem Vorbild der ThEGA vergibt seit dem 1. Mai 2018 auch Schleswig-Holstein ein Siegel für Faire Windparkplaner Schleswig-Holstein.

Um Akzeptanz zu steigern, brauche es nicht viel Geld, solange die Bürgerinnen und Bürger konkret mitbekommen, was damit passiert und der Mehrwert in der Gemeinde bleibt, fasst Rothe ihre Erfahrung zusammen. Lohnen tut es sich allemal: „Beim derzeitigen Genehmigungsstau ist der Kampf um die Fläche wichtiger als eine Kostenreduktion um jeden Preis.“


Weiterführende Information:


20180614_gemeinsam_gewinnen_windenergie_vor_ort_web.pdf
Ein Grundlagenpapier zu den Themen Wertschöpfung, Bürgerbeteiligung und Akzeptanz

Das könnte Sie auch interessieren: