Aus dem einstigen Braunkohlerevier im Osten der Republik soll in den kommenden fünf bis zehn Jahren ein industrieller Hotspot werden – getragen von Bund, Kommunen, Wirtschaft und Wissenschaft. Mit der offiziellen Bewerbung als Net Zero Valley bei der EU-Kommission hat die Lausitz Ende März ein Zeichen gesetzt. Sie will nicht mehr nur Symbol des Strukturwandels sein, sondern Referenzmodell für grüne Industriepolitik.

„Die Lausitz ist seit Jahrzehnten Energieregion, hiesige Unternehmen bieten Kompetenzen in der energieintensiven Industrie und in technischer Innovation. Sie haben vielfach bewiesen, dass sie flexibel und anpassungsfähig sind“,

sagt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) gegenüber der neuen energie.

Schon jetzt wüchsen dort die Kompetenzen in den Bereichen Wasserstoff, Kreislaufwirtschaft und Digitalisierung stetig, so Woidke.

Mit dem sogenannten Net Zero Industry Act (NZIA) fördert die EU grüne Schlüsseltechnologien, die lokal verankert und strategisch gebündelt werden sollen. Im Zentrum der Verordnung stehen strategisch priorisierte Technologien wie Wasserstoff, Batterien und Energiespeicher. Geplant sind zudem schnellere Genehmigungsverfahren, Ausschreibungskriterien mit Fokus auf Resilienz und Nachhaltigkeit sowie eine gezielte Standortförderung. All das soll Investitionen anregen und die industrielle Basis Europas im globalen Wettbewerb stärken. Dabei sind politische Weichenstellungen zentral, vor allem in der Planungsphase.

Die Projektlandschaft in der Lausitz ist laut neue energie bereits sehr konkret: Das Referenzkraftwerk Lausitz (Reflau) – eine H2-Speicherkraftwerklösung mit Rückverstromung über Turbine und Brennstoffzelle – wird mit 28,5 Millionen Euro vom Bund gefördert. Gekoppelt mit einem 500-Megawattstunden-Wasserstoffspeicher und einem Windpark soll es 2026 ans Netz gehen. Und der Batteriespezialist Altech errichtet im Industriepark Schwarze Pumpe eine Produktionslinie für nicht brennbare keramische Festkörperbatterien mit einer Kapazität von zunächst 100 Megawattstunden (MWh). Sie sind für stationäre Anwendungen im Stromnetz vorgesehen – ein zukunftsträchtiger Nischenmarkt. Ergänzt wird der Industrie-Cluster durch das PtXLab Lausitz, ein vom Bund geförderter Think-and-do-Tank für synthetische Kraftstoffe, sowie durch Infrastrukturprojekte wie den Batteriespeicher Big Battery Lausitz (53 MWh) und einen geplanten H2-Leitungsanschluss für Industrie und Mobilität. Die Investitionssummen sind verbindlich, Flächen wurden bereits ausgewiesen, Verfahren eingeleitet – so auch die Umwidmung von Stadtwald in Windkraft-Konzentrationszonen bei Spremberg. Genehmigungen laufen, erste Bauanträge sind gestellt.

Der NZIA verändert die Spielregeln für Unternehmen in der Erneuerbare-Energien-Branche grundlegend. Neben dem Preis für Produkte und Dienstleistungen zählen künftig auch Nachhaltigkeit, Herkunft und Versorgungssicherheit bei Ausschreibungen. Das erfordert Anpassungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

Die Windenergiebranche dürfte vom NZIA indes stark profitieren: Unternehmen wie Enercon, Nordex oder Siemens Gamesa erwarten durch schnellere Genehmigungen einen Aufschwung. Bei der Photovoltaik dürfte es hingegen schwerer werden.

„Ohne strategische Beschaffung europäischer Öffentlichkeit wird der NZIA in der PV-Branche wenig bewirken“,

sagt Carsten Körnig vom Bundesverband Solarwirtschaft (BSW).

Laut BSW lag der europäische Marktanteil bei Solarmodulen im Jahr 2023 bei weniger als drei Prozent. Ob es durch den NZIA gelingt, bis 2030 in Europa die Produktion von derzeit äquivalenten 10 GW pro Jahr auf 30 GW zu steigern, ist ungewiss – auch weil der Preiskampf mit chinesischen Herstellern mitunter halsbrecherische Formen angenommen hat.

Die kommenden fünf bis zehn Jahre werden darüber entscheiden, ob die Lausitz als Leuchtturm im Net Zero Valley strahlt – oder eher ackert. Die Projekte sind ambitioniert, die Aufmerksamkeit ist da. Doch Märkte, Ministerien und Menschen sind nicht automatisch überzeugt.

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Quelle: neue energie

 


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