Welche Chancen sehen Sie, die sich durch den Ausbau der Erneuerbare Energie im ländlichen Raum ergeben?
Clemens Rostock: Durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien ergeben sich im ländlichen Raum vielfältige Chancen. Beim Ausbau der Erneuerbaren entstehen Wertschöpfung und Arbeitsplätze. Davon können sowohl die Landwirtschaftsbetriebe profitieren, die sich durch die Energieproduktion ein weiteres Standbein aufbauen, als auch mittelständische Handwerksbetriebe, die Anlagen aufbauen und im Service betreuen. Im besten Falle sind auch viele weitere über Bürgerenergiegenossenschaften finanziell beteiligt. Energiedörfer wie Feldheim zeigen, wie die Bürgerinnen und Bürger von günstigem Stromtarifen und der lokalen Nutzung des vor Ort produzierten Stroms profitieren können. Unternehmen, die wiederum lokalen grünen Strom nutzen wollen, finden dann auf dem Land die ideale Umgebung und das Netzwerk dafür.
Oftmals wird darauf verwiesen, dass der Ausbau der Erneuerbaren ohnehin bestehende Flächenkonkurrenzen verstärken würde. Umso wichtiger ist es, die vielen positiven Effekte über die eigentliche Energieproduktion hinaus zu würdigen. Aus der intensiven Landwirtschaft mit hohem Einsatz von Düngemitteln genommene Flächen können sich erholen und einen Beitrag für die Artenvielfalt leisten. Besonders ökologische Gestaltungen von z.B. Photovoltaik-Freiflächenanlagen können diesen Effekt noch erhöhen. Gut gestaltete Agri-Photovoltaik kann dafür sorgen, dass sowohl Strom- als auch Lebensmittelproduktion auf der gleichen Fläche stattfinden kann. Wünschenswert wären auch Erleichterungen für die Doppelnutzung von Flächen sowohl für Windkraft als auch Photovoltaik.
Welche Möglichkeiten zur Konfliktvermeidung gibt es Ihrer Meinung nach beim Thema Kohleausstieg?
Clemens Rostock: Der Kohleausstieg ruft leider nicht überall die gleiche Begeisterung hervor, wie bei uns Grünen. Besonders in der Region wird er auch von vielen Ängsten begleitet. Arbeitslosigkeit, Verlust einer jahrhundertealten Tradition, Sorgen um Energiesicherheit, die Geschwindigkeit von Planverfahren. Ich glaube, dass wir Mut machen und Chancen aufzeigen müssen. Der Strukturbruch der 90er Jahre ist vielen noch im Gedächtnis. Manche fürchten, dass sich ein solcher Strukturbruch wiederholt. Die Situation ist aber heute deutlich anders. In den 90er Jahren wurden in der Lausitz zwölf Tagebaue geschlossen. Aktuell gibt es noch vier aktive Tagebaue. Die geförderte Braunkohlemenge beträgt ungefähr ein Viertel der Menge von 1990 und die Zahl der Beschäftigten entsprechen nur noch gut zehn Prozent des Standes vor der friedlichen Revolution. Der Großteil des Kohleausstiegs liegt damit bereits hinter uns. Den restlichen Ausstieg können wir planmäßig vornehmen und dabei auf Milliardensummen für den Strukturwandel zurückgreifen. In den 90ern gab es Massenarbeitslosigkeit. Heute haben wir in der Lausitz oftmals das Problem von Fachkräftemangel. Diese Unterschiede immer wieder deutlich zu machen ist für mich ein wichtiger Teil der Konfliktminimierung.
Zum anderen gilt es die positiven Nebeneffekte immer wieder zu betonen. Früher wurden immer wieder Dörfer abgebaggert, Menschen verloren ihre Heimat. Das wird in Zukunft nicht mehr nötig sein. Vielfältige Umweltprobleme, insbesondere im Lausitzer Wasserhaushalt wurden für die Menschen in den letzten Jahren sicht- und erfahrbar. Seen, die austrocknen, hohe Sulfatwerte, die die Trinkwasserversorgung gefährden und das für alle sichtbare braune Eisenhydroxit in der südlichen Spree haben bei vielen Menschen das Bewusstsein geschaffen, dass es auf Dauer mit der Braunkohle so nicht weitergehen kann. Die Bereitschaft für den Kohleausstieg hat sich erhöht.
Aber ein tiefer liegendes Problem ist das Gefühl mangelnder Wertschätzung, das viele Lausitzer*innen begleitet, zusammen mit dem Eindruck, politischen Entscheidungen ausgeliefert zu sein. Das können wir am besten aufbrechen, indem diese Menschen sich selbst als Gestalter*innen ihrer Zukunft verstehen können. Wir kämpfen dafür, dass die Menschen aus der Lausitz sich direkt in den Strukturwandelprozess einbringen können. Zum Beispiel, indem Vereine und Initiativen durch einen Fonds auch Gelder beantragen können. Die Bürgerregion, eine zivilgesellschaftliche Initiative, wird mit Unterstützung des Landes Knotenpunkte einrichten, damit Menschen Anlaufpunkte haben. In dem Zusammenhang soll es auch eine gesonderte Beteiligung junger Menschen geben. Gerade junge Frauen wollen noch überdurchschnittlich stark die Region verlassen, wir müssen ihnen Gründe zum Bleiben, Wiederkehren oder Kommen geben. Ein sehr positives Beispiel, ist die Zusammenarbeit zwischen Bahn und LEAG. Dort werden Mitarbeiter*innen der LEAG von der Deutschen Bahn für das entstehende Bahnwerk übernommen und können dort ihre wertvolle Expertise einbringen. Von der Fossil-Wirtschaft direkt in die Zukunftsbranche der Bahnindustrie – genau so kann der Strukturwandel gelingen und überzeugen.
Wo sehen Sie Brandenburg in 5 Jahren?
Clemens Rostock: Ich bin mir sicher, dass der Tagebau Jänschwalde in 5 Jahren nicht mehr aktiv sein wird und der Strombedarf Brandenburgs dann zu 100% mit Erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Vieles andere hängt noch von unserem Handeln heute ab. Bis dahin sollten wir nicht nur einen Klimaplan, sondern auch ein Klimaschutzgesetz und eine davon abgeleitete Energiestrategie haben. Für die Windkraft müssen die Ziele deutlich erhöht werden und die Regionalplanung muss dann so aufgestellt sein, dass die Teilregionalpläne Wind länger gültig sind und ausreichend Fläche für die Windkraft zur Verfügung steht. Ich hoffe, dass wir bis dahin keine Windenergie mehr abregeln müssen, sondern die Spitzen für Elektrolyse und die Produktion von grünem Wasserstoff nutzen. Auch hege ich große Hoffnungen, dass Tesla ein Treiber für die Entwicklung eines Wirtschaftssektors rund um Elektromobilität, Batterietechnik und Energiewende wird. Erste Investitionen von BASF in Schwarzheide und Rock-Tech-Lithium in Guben zeigen auf, wo es hingehen kann.
Mit Rückenwind von der Bundesebene könnten wir es außerdem schaffen, dass Biomasse bzw. Biogas nicht mehr stetig verstromt wird, sondern für Nachfragespitzen vorgehalten wird und z.B. in den Stahlwerken Brandenburgs die Kohle verdrängt. Auch bei vielen Zukunftsfragen der Energiewende wie Flexibilitätsmärkten, die Nutzung der Abwärme in der Industrie, grüner Wasserstoff kann Brandenburg vorne dabei sein. Dafür setze ich mich ein.
Vielen Dank für das Interview!