Wie hat sich die Rolle der Geschäftsführung von Windparks in den letzten Jahrzehnten verändert?
Mike Breuel: Was vor rund 30 Jahren mit überschaubarem Aufwand und in Teilen ehrenamtlich oder nebenberuflich begann, hat sich zu einem Sektor mit erheblichen rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Anforderungen entwickelt. Das ist vor allem auf die tiefgreifende Professionalisierung der Branche zurückzuführen.
Insbesondere Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer von Windparkgesellschaften sehen sich heute mit einem erheblich gewachsenen Aufgabenspektrum konfrontiert: Es reicht von der Vertragsgestaltung über Compliance-Themen bis hin zur Koordination mit Netzbetreibern, Direktvermarktern und Behörden. Die Komplexität – sei es im Hinblick auf das Ausschreibungsdesign der Bundesnetzagentur, Redispatch 2.0, Genehmigungsauflagen oder Haftungsfragen – hat ein Maß erreicht, das ohne spezielle Vorkenntnisse und kontinuierliche Fortbildung kaum mehr zu bewältigen ist. Das Modell der externen Geschäftsführung reagiert auf diese Entwicklung. Es bietet Unternehmen die Möglichkeit, sich fachlich zu entlasten, ohne an Steuerungsfähigkeit zu verlieren.
Welche Anforderungen und Verantwortungsbereiche kommen heute konkret auf eine Geschäftsführung im Windsektor zu?
MB: Die Geschäftsführung eines Betreiberunternehmens umfasst heute ein breites Verantwortungsfeld. Neben den klassischen Aufgaben wie der Überwachung des laufenden Betriebs und der Finanzplanung sind rechtliche, technische und regulatorische Fragestellungen von zentraler Bedeutung.
Beispielsweise erfordern Finanzierungsmodelle umfassende Kenntnisse über Projektfinanzierung, bankseitige Anforderungen und Vertragsverhandlungen. Gleichzeitig sind Geschäftsführungen zunehmend dafür verantwortlich, komplexe Pachtverträge mit umfangreichen Regelungen zu Risiken, Entschädigungen und Haftungen zu gestalten. Dazu kommen Herausforderungen bei der Netzanschlussplanung und der Integration erneuerbarer Energien in bestehende Versorgungsstrukturen.
Ein erheblicher Teil der Risiken entsteht schon in der Planungsphase: etwa durch unklare Genehmigungsverfahren, Rechtsänderungen oder Interessenskonflikte mit Anwohnenden oder Naturschutzgruppen. Auch im laufenden Betrieb bestehen hohe Anforderungen an die Auswahl und Koordination technischer Dienstleister, die Vertragsgestaltung mit Direktvermarktern und das Berichtswesen gegenüber Gesellschaftern und Behörden. Diese Vielschichtigkeit verlangt nach Managementkompetenz, aber auch nach tiefem Fachwissen, idealerweise aus erster Hand.
Vor diesem Hintergrund: Welche Vorteile versprechen sich Betreiberinnen von der Beauftragung einer externen Geschäftsführung im Vergleich zur internen Besetzung?
MB: Die Vorteile liegen vor allem in der Spezialisierung und in der Risikominimierung. Externe Geschäftsführungen verfügen in der Regel über langjährige Branchenerfahrung, fundierte juristische und wirtschaftliche Kenntnisse sowie über ein belastbares Netzwerk zu Behörden, Technikern und Vermarktern. Diese Expertise ermöglicht es, Entscheidungen nicht nur schneller, sondern auch fundierter zu treffen. Das reduziert nicht nur betriebliche Risiken, sondern sorgt auch für eine effizientere Umsetzung regulatorischer Vorgaben
und eine bessere Kommunikation mit Stakeholdern.
Darüber hinaus ermöglicht externe Geschäftsführung eine klare Rollentrennung – insbesondere bei Bürgerwindparks oder Projektgesellschaften mit mehreren Gesellschaftern. Konflikte lassen sich durch eine neutrale Instanz oft sachlicher lösen. Nicht zuletzt kann durch die Auslagerung der Geschäftsführung eine deutliche Entlastung der Gesellschafter erfolgen, sodass sie sich auf strategische Fragestellungen oder ihre originären Tätigkeitsbereiche konzentrieren können.
Die Befürchtung steht im Raum, dass externe Geschäftsführung zu einem Verlust an Kontrolle oder Nähe zum Projekt führen könnte. Wie schätzen Sie das ein?
MB: Die Sorge ist nachvollziehbar, trifft aber in der Praxis nur selten zu – vorausgesetzt, die Zusammenarbeit wird professionell und transparent gestaltet. Externe Geschäftsführung sollte nicht Entfremdung, sondern Spezialisierung bedeuten. Es geht darum, operative und haftungsträchtige Aufgaben in erfahrene Hände zu legen, ohne dass die strategische Steuerung durch die Gesellschafter aus der Hand gegeben wird.
Ein gut aufgesetztes Berichtswesen, regelmäßige Abstimmungen und klar definierte Kompetenzen können dafür sorgen, dass die Kontrolle nicht nur erhalten bleibt, sondern sogar verbessert wird. Gleichzeitig gewinnt man durch externe Geschäftsführung idealerweise eine neutrale Perspektive, die nicht durch interne Interessenslagen beeinflusst ist. Zudem ist das Modell skalierbar: Es kann dauerhaft oder temporär eingesetzt werden, etwa zur Überbrückung von personellen Engpässen, bei Projektübernahmen oder in Phasen regulatorischer Veränderungen.
Welche Entwicklungen der Geschäftsführung kommen auf uns zu?
MB: Der regulatorische Rahmen wird sich weiterentwickeln – Stichworte sind hier etwa die Anforderungen aus der EU-Taxonomie, ESG-Kriterien oder die zunehmende Digitalisierung im Bereich der Betriebsführung. Diese Dynamik macht es für kleinere und mittlere Betreiber immer schwieriger, alle Anforderungen ohne externe Unterstützung vollumfänglich zu erfüllen. Die externe Geschäftsführung sollte sich dabei aber nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zur klassischen Geschäftsleitung etablieren – sei es als dauerhaftes Modell oder in hybriden Konstellationen.
Entscheidend ist vor allem, dass sich Unternehmen frühzeitig mit der Frage auseinandersetzen, welche Anforderungen sie heute und in Zukunft professionell erfüllen können und wo sie gegebenenfalls gezielt Expertise von außen einbinden sollten. Aus unserer Sicht ist dies ein zentraler Erfolgsfaktor für die nachhaltige und wirtschaftlich stabile Entwicklung von Windparkprojekten in Deutschland.
Mike Breuel ist diplomierter Bankbetriebswirt und nach 19 Jahren in der
Bankenbranche seit 2023 Geschäftsführer auf dem Dirkshof. Er ist dort
für die kaufmännischen Bereiche, das Vertragswesen sowie die Personalthemen
verantwortlich. Gemeinsam mit dem Team des Dirkshofs setzt er
sich für Kunden und deren Windkraftanlagen ein.
Dieser Beitrag erschien im BWE-BerteiberBrief 2-2025.
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