Grundlage der Anhörung war der „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie in den Bereichen Windenergie auf See und Stromnetze“ (21/1491). Das Gesetz sieht unter anderem verschlankte Zulassungsverfahren in Beschleunigungsflächen für Windenergie auf See beziehungsweise Infrastrukturgebieten für Übertragungsnetze, Verteilnetze und Offshore-Anbindungsleitungen vor.

Ausweisung von Beschleunigungsgebieten

Rüdiger Nebelsieck von der Kanzlei PNT Partner Rechtsanwälte, sagte, in dem Entwurf seien zahlreiche unionsrechtswidrige Abweichungen von den Anforderungen der EU-Richtlinie auf Kosten des Umwelt- und Artenschutzes enthalten.

„Dies stellt nicht nur eine richtlinienwidrige Umsetzung dar, die zu Rechtsunsicherheit führen würde, sondern auch eine tatsächliche Gefahr für die Biodiversität“,

erklärte der Sachverständige in seiner Stellungnahme. Er empfahl, die Pflicht zur Ausweisung weiterer Beschleunigungsgebiete für die Offshore-Windenergie zu streichen.

Die Umsetzung der Beschleunigungsgebiete für die Windenergie auf See sei weitgehend gelungen, so Prof. Dr. Thorsten Müller von der Stiftung Umweltenergierecht. Allerdings seien die durch den unionsrechtlichen Umsetzungsspielraum eröffneten Möglichkeiten zur Vereinfachung, Beschleunigung sowie Kostensenkung nicht umfassend zugunsten des Ausbaus der erneuerbaren Energien genutzt worden.

Begrenzte Produktionskapazitäten in der Lieferkette

In eine andere Richtung wies die Kritik von Carla Langsenkamp, WWF Deutschland. Nach derzeitigem Stand sei nicht davon auszugehen, dass durch die Ausweisung von Beschleunigungsflächen für die Offshore-Windkraft eine beschleunigende Wirkung hinsichtlich eines schnelleren Ausbaus erzielt werde. Nicht das Genehmigungsverfahren an sich, sondern vielmehr begrenzte Produktionskapazitäten in der Lieferkette der Offshore-Komponenten und der Ausbau der Infrastruktur wie Häfen und Netzanbindungen seien limitierende Faktoren. Auch leiste die Festlegung von Beschleunigungsflächen keinen Beitrag mehr, um die Vorgabe zu erfüllen, 2030 einen EU-weiten Erneuerbaren-Anteil von 42,5 Prozent zu erreichen. Sie verwies außerdem auf den schlechten Zustand der Natur in Nord- und Ostsee.

Stefan Thimm vom Bundesverband Windenergie Offshore erwartet keine Beschleunigung des Ausbaus der Offshore-Windenergie in Deutschland durch den im Gesetz vorgesehenen Wegfall der Umweltverträglichkeitsprüfung. Limitierende Faktoren des Ausbaus seien nicht die Genehmigungsverfahren, sondern vor allem der Netzausbau. Thimm forderte einen Erhalt der Umweltverträglichkeitsprüfungen wenigstens als freiwillige Option.

Beschleunigung des Netzausbaus

Unzufrieden mit einer anderen Regelung zeigte sich Andrees Gentzsch vom Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft. Es sei klar, dass schnellere Verfahren gebraucht würden. Offshore-Windparks seien ein elementarer Bestandteil der Energiewende. Der Netzausbau müsse beschleunigt werden. Planfeststellungsverfahren von drei bis fünf Jahren seien zu lang. Gentzsch wies aber darauf hin, dass für den Verzicht auf artenschutz- und gebietsschutzrechtliche Einzelprüfungen für Offshore-Netzanbindungsleitungen im Gegenzug eine pauschale Ausgleichszahlung je Trassenkilometer vorgesehen sei. Dadurch würden sich Mehrkosten von fünf bis sieben Millionen Euro pro Vorhaben ergeben. Eine pauschale Zahlung sei nicht sinnvoll.

Mit der Umsetzung des EU-Rechts setzten sich auch die Übertragungsnetzbetreiber auseinander. Tetiana Chuvilina vom Übertragungsnetzbetreiber TenneT TSO begrüßte zwar ausdrücklich die im Entwurf vorgesehenen Erleichterungen und die damit zu erwartenden Beschleunigungen der Netzausbauvorhaben. Andererseits wurde kritisiert, dass der Gesetzentwurf in einigen Punkten über eine 1:1-Umsetzung der Vorgaben der EU-Richtlinie hinausgehe, obwohl sich die Koalition im Koalitionsvertrag grundsätzlich auf eine Eins-zu-eins-Umsetzung von EU-Vorgaben verständigt habe.

Das damit vermeintlich erreichbare höhere Schutzniveau für Natur und Umwelt werde mit einem erheblichen Verzögerungspotenzial bei der Ausweisung der Infrastrukturgebieten erkauft. Im schlimmsten Fall werde es keine Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren für Strom-Höchstspannungsleitungen geben.

Dr. Kai Roger Lobo vom Verband kommunaler Unternehmen sah das bislang gesteckte Ausbauziel von 70 Gigawatt Offshore-Windenergie im Jahr 2045 als zu hoch an. Die Anlagen würden sich bei einer zu dichten Bebauung in der Ausschließlichen Wirtschaftszone gegenseitig Winderträge wegnehmen (Verschattung). Dann sei der teure Netzausbau nicht zu rechtfertigen. Er plädierte auch für eine Anpassung der Ausschreibungsbedingungen etwa durch eine Verringerung pro ausgeschriebener Fläche auf ein Gigawatt, weil andernfalls ein Oligopol bei Anbietern drohe.

Die ganze Anhörung können Sie hier im Parlamentsfernsehen nachschauen.

Quelle: Bundestag


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